Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

1289 
Börner gewesen. Das Generalreferat für den 
ganzen Entwurf hatte Professor Planck. Vom 
Bundesrat wurde der am 22. Okt. 1895 dem 
Reichskanzler übergebene Entwurf II, welcher bei 
Guttentag (als Entwurf II a) veröffentlicht ist, 
nach seiner Uberarbeitung im Justizausschuß am 
16. Jan. 1896 angenommen und nebst Denk- 
schrist am 17. Jan. 1896 dem Reichstag vorgelegt 
(Entwurf III oder Reichstagsvorlage). In diesem 
fand die erste Beratung vom 3. bis 6. Febr. statt, 
welche mit dem Beschluß der Uberweisung der Vor- 
lage an eine Kommission von 21 Mitgliedern 
endete. Die Kommission hielt unter dem Vorsitz 
des Abgeordneten Spahn 52 Sitzungen ab. Die 
Berichte über die einzelnen Bücher der Vorlage 
wurden von den Abgeordneten Dr Enneccerus 
(Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhält- 
nisse), Dr v. Buchka (Sachenrecht), Dr Bachem 
(Familienrecht) und Schröder (Erbrecht und Ein- 
führungsgesetz) dem Reichstog erstattet. Vom 19. 
bis 27. Juni 1896 fand dann die zweite und am 
30. Juni und 1. Juli 1896 die dritte Beratung 
statt. Die Annahme des B.G. B. erfolgte am 
1. Juli 1896 mit 222 gegen 48 Stimmen bei 
18 Stimmenthaltungen und 34 Fehlenden. Am 
14. Juli 1896 sanktionierte der Bundesrat das 
Geset, dessen Wolziehung durch den Kaiser am 
18. Aug. und dessen Verkündung im Reichs- 
gesetzblatt am 24. Aug. 1896 erfolgt ist. 
Durch das Gesetzbuch hat das im Deutschen 
Reich geeinte Volk an der Stelle des zersplitterten 
ein einheitliches bürgerliches Recht erhalten. Aller- 
dings ist nicht das ganze bürgerliche Recht Reichs- 
recht geworden, auch hat nicht alles reichsrechtlich 
geordnete bürgerliche Recht Aufnahme in das B.= 
G.B. gefunden. Insbesondere wurde auf die 
Einarbeitung einzelner privatrechtlicher Vorschrif- 
ten, die schon in den Reichsgesetzen getroffen waren, 
aus technischen Gründen verzichtet. Sodann blieb 
prinzipiell vom B.G.B. ausgeschlossen: das Han- 
delsrecht, das Wechselrecht, das Recht der reichs- 
gesetzlich besonders geordneten Vereine, wie der 
Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften (Gesetz 
vom 1. Mai 1889) und der Gesellschaften mit be- 
schränkter Haftung (Gesetz vom 20. April 1892), 
das Binnenschiffahrtsrecht (Gesetz vom 15. Juni 
1895) und das sog. materielle Prozeßrecht. Das 
Handelsrecht ist durch eine neue Fassung des Han- 
delsgesetzbuchs mit dem B.G.B. in Übereinstim- 
mung gebracht (neues Handelsgesetzbuch vom 
10. Mai 1897), und das materielle Prozeßrecht, 
welches in der Kommission für die zweite Lesung 
des Entwurfs bearbeitet worden war, ist in die 
Zivilprozeßordnung eingearbeitet (neue Zivilpro- 
zeßordnung vom 17./20. Mai 1898). Des- 
gleichen wurde das materielle Konkursrecht durch 
dieselbe Kommission den Bestimmungen des B.= 
G.B. entsprechend um= und ausgestaltet und in 
der neuen Konkursordnung vom 17./20. Mai 
1898 veröffentlicht. Neu geordnet ist durch Reichs- 
gesetz zwischenzeitig ferner das gesamte Urheber- 
Zivilgesetzgebung. 
  
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recht, das Versicherungsrecht sowie das Vereins- 
und Versammlungsrecht. Außerdem wurden auf 
wichtigen Rechtsgebieten die Landesrechte aufrecht- 
erhalten, wodurch diesen zugleich deren zukünftige 
Weitergestaltung vorbehalten ist. Diese Vorbehalte 
sind als Verlustliste des Deutschen Rechts, als 
Niederlagen bezeichnet worden, die der deutsche 
Einheitsgedanke erlitten habe. Für sie war teil- 
weise der Zusammenhang mit dem öffentlichen 
Recht der Einzelstaaten, in das nicht eingegriffen 
werden sollte, teilweise die wirtschaftliche Verschie- 
denheit der einzelnen Teile des Deutschen Reichs, 
teilweise auch der Mangel an Vorarbeiten für eine 
sachgemäße einheitliche Reglung maßgebend. Die 
Fertigstellung des B.G.B. wäre ins ungewisse 
verschoben worden, wenn man die Reglung auch 
nur eines Teils der vorbehaltenen Materien ver- 
sucht hätte; zur Rechtfertigung dieser Verschlep- 
pung scheinen sie insgesamt nicht wichtig genug zu 
sein. Der Reichstag begnügte sich daher mit einer 
Resolution, welche den Reichskanzler zur Ausarbei- 
tung von Gesetzentwürfen über eine Reihe von 
Materien aufforderte. Da die landesrechtlichen 
Vorbehalte nicht Reservatrechte sind, so steht ihrer 
Aufhebung durch Reichsgesetz kein verfassungs- 
mäßiges Bedenken entgegen. 
Das B.G.B. enthält die Kernmasse des Privat- 
rechts; es enthält, von wenigen öffentlich-recht- 
lichen Vorschriften abgesehen, nur Privatrechte. 
Daraus ergibt sich im Verhältnis zum Reichs- 
recht einerseits, daß bei dessen Unvereinbarkeit 
mit dem B.G.B. dieses dem älteren Reichsrecht 
vorgeht, auch wenn letzteres öffentlich-rechtlicher 
Natur sein sollte, wie das Reichsbeamtengesetz, 
das Reichemilitärgesetz, die Strandungsordnung, 
das Krankenversicherungsgesetz; anderseits daß ein 
eine spezielle Materie regelndes Reichsgesetz durch 
die allgemeinen Vorschriften des B.G.B. nicht 
aufgehoben ist. Auf das Landesrecht wirkt das 
B.G.B. aufhebend ein, soweit nicht durch es selbst 
ein anderes bestimmt ist. Diese Aufhebung trifft 
aber nur das Landesprivatrecht, nicht auch das 
öffentliche Landesrecht; sie trifft jedoch das ganze 
Landesprivatrecht und nicht nur die in dem B. G. B. 
geregelten Materien, soweit nicht das Landes- 
privatrecht ausdrücklich aufrechterhalten ist. In- 
folgedessen ist es unzulässig, anscheinende Lücken 
des B.G.B. durch das Landesrecht zu ergänzen. 
Dabei gilt als Landesrecht Landesgesetz, Landes- 
gewohnheit und die auf Landesrecht beruhende 
örtliche oder persönliche Autonomie. 
Die Einheitlichkeit des Rechts hat ohne Rück- 
sicht auf den Inhalt der Rechtssätze ihren Wert 
für das Deutsche Reich und seine Bewohner; sie 
nützt jedem, der außerhalb seines Wohnsitzes 
Rechtsbeziehungen hat, weil er nun überall das 
gleiche Recht antrifft, insbesondere dem Geschäfts- 
mann, den die moderne Verkehrsentwicklung mit 
einer Reihe von Orten in Verbindung bringt; sie 
hat ihre Bedeutung für den Politiker, der in dem 
einheitlichen Recht ein festes Band und eine neue 
 
	        
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