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Börner gewesen. Das Generalreferat für den
ganzen Entwurf hatte Professor Planck. Vom
Bundesrat wurde der am 22. Okt. 1895 dem
Reichskanzler übergebene Entwurf II, welcher bei
Guttentag (als Entwurf II a) veröffentlicht ist,
nach seiner Uberarbeitung im Justizausschuß am
16. Jan. 1896 angenommen und nebst Denk-
schrist am 17. Jan. 1896 dem Reichstag vorgelegt
(Entwurf III oder Reichstagsvorlage). In diesem
fand die erste Beratung vom 3. bis 6. Febr. statt,
welche mit dem Beschluß der Uberweisung der Vor-
lage an eine Kommission von 21 Mitgliedern
endete. Die Kommission hielt unter dem Vorsitz
des Abgeordneten Spahn 52 Sitzungen ab. Die
Berichte über die einzelnen Bücher der Vorlage
wurden von den Abgeordneten Dr Enneccerus
(Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhält-
nisse), Dr v. Buchka (Sachenrecht), Dr Bachem
(Familienrecht) und Schröder (Erbrecht und Ein-
führungsgesetz) dem Reichstog erstattet. Vom 19.
bis 27. Juni 1896 fand dann die zweite und am
30. Juni und 1. Juli 1896 die dritte Beratung
statt. Die Annahme des B.G. B. erfolgte am
1. Juli 1896 mit 222 gegen 48 Stimmen bei
18 Stimmenthaltungen und 34 Fehlenden. Am
14. Juli 1896 sanktionierte der Bundesrat das
Geset, dessen Wolziehung durch den Kaiser am
18. Aug. und dessen Verkündung im Reichs-
gesetzblatt am 24. Aug. 1896 erfolgt ist.
Durch das Gesetzbuch hat das im Deutschen
Reich geeinte Volk an der Stelle des zersplitterten
ein einheitliches bürgerliches Recht erhalten. Aller-
dings ist nicht das ganze bürgerliche Recht Reichs-
recht geworden, auch hat nicht alles reichsrechtlich
geordnete bürgerliche Recht Aufnahme in das B.=
G.B. gefunden. Insbesondere wurde auf die
Einarbeitung einzelner privatrechtlicher Vorschrif-
ten, die schon in den Reichsgesetzen getroffen waren,
aus technischen Gründen verzichtet. Sodann blieb
prinzipiell vom B.G.B. ausgeschlossen: das Han-
delsrecht, das Wechselrecht, das Recht der reichs-
gesetzlich besonders geordneten Vereine, wie der
Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften (Gesetz
vom 1. Mai 1889) und der Gesellschaften mit be-
schränkter Haftung (Gesetz vom 20. April 1892),
das Binnenschiffahrtsrecht (Gesetz vom 15. Juni
1895) und das sog. materielle Prozeßrecht. Das
Handelsrecht ist durch eine neue Fassung des Han-
delsgesetzbuchs mit dem B.G.B. in Übereinstim-
mung gebracht (neues Handelsgesetzbuch vom
10. Mai 1897), und das materielle Prozeßrecht,
welches in der Kommission für die zweite Lesung
des Entwurfs bearbeitet worden war, ist in die
Zivilprozeßordnung eingearbeitet (neue Zivilpro-
zeßordnung vom 17./20. Mai 1898). Des-
gleichen wurde das materielle Konkursrecht durch
dieselbe Kommission den Bestimmungen des B.=
G.B. entsprechend um= und ausgestaltet und in
der neuen Konkursordnung vom 17./20. Mai
1898 veröffentlicht. Neu geordnet ist durch Reichs-
gesetz zwischenzeitig ferner das gesamte Urheber-
Zivilgesetzgebung.
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recht, das Versicherungsrecht sowie das Vereins-
und Versammlungsrecht. Außerdem wurden auf
wichtigen Rechtsgebieten die Landesrechte aufrecht-
erhalten, wodurch diesen zugleich deren zukünftige
Weitergestaltung vorbehalten ist. Diese Vorbehalte
sind als Verlustliste des Deutschen Rechts, als
Niederlagen bezeichnet worden, die der deutsche
Einheitsgedanke erlitten habe. Für sie war teil-
weise der Zusammenhang mit dem öffentlichen
Recht der Einzelstaaten, in das nicht eingegriffen
werden sollte, teilweise die wirtschaftliche Verschie-
denheit der einzelnen Teile des Deutschen Reichs,
teilweise auch der Mangel an Vorarbeiten für eine
sachgemäße einheitliche Reglung maßgebend. Die
Fertigstellung des B.G.B. wäre ins ungewisse
verschoben worden, wenn man die Reglung auch
nur eines Teils der vorbehaltenen Materien ver-
sucht hätte; zur Rechtfertigung dieser Verschlep-
pung scheinen sie insgesamt nicht wichtig genug zu
sein. Der Reichstag begnügte sich daher mit einer
Resolution, welche den Reichskanzler zur Ausarbei-
tung von Gesetzentwürfen über eine Reihe von
Materien aufforderte. Da die landesrechtlichen
Vorbehalte nicht Reservatrechte sind, so steht ihrer
Aufhebung durch Reichsgesetz kein verfassungs-
mäßiges Bedenken entgegen.
Das B.G.B. enthält die Kernmasse des Privat-
rechts; es enthält, von wenigen öffentlich-recht-
lichen Vorschriften abgesehen, nur Privatrechte.
Daraus ergibt sich im Verhältnis zum Reichs-
recht einerseits, daß bei dessen Unvereinbarkeit
mit dem B.G.B. dieses dem älteren Reichsrecht
vorgeht, auch wenn letzteres öffentlich-rechtlicher
Natur sein sollte, wie das Reichsbeamtengesetz,
das Reichemilitärgesetz, die Strandungsordnung,
das Krankenversicherungsgesetz; anderseits daß ein
eine spezielle Materie regelndes Reichsgesetz durch
die allgemeinen Vorschriften des B.G.B. nicht
aufgehoben ist. Auf das Landesrecht wirkt das
B.G.B. aufhebend ein, soweit nicht durch es selbst
ein anderes bestimmt ist. Diese Aufhebung trifft
aber nur das Landesprivatrecht, nicht auch das
öffentliche Landesrecht; sie trifft jedoch das ganze
Landesprivatrecht und nicht nur die in dem B. G. B.
geregelten Materien, soweit nicht das Landes-
privatrecht ausdrücklich aufrechterhalten ist. In-
folgedessen ist es unzulässig, anscheinende Lücken
des B.G.B. durch das Landesrecht zu ergänzen.
Dabei gilt als Landesrecht Landesgesetz, Landes-
gewohnheit und die auf Landesrecht beruhende
örtliche oder persönliche Autonomie.
Die Einheitlichkeit des Rechts hat ohne Rück-
sicht auf den Inhalt der Rechtssätze ihren Wert
für das Deutsche Reich und seine Bewohner; sie
nützt jedem, der außerhalb seines Wohnsitzes
Rechtsbeziehungen hat, weil er nun überall das
gleiche Recht antrifft, insbesondere dem Geschäfts-
mann, den die moderne Verkehrsentwicklung mit
einer Reihe von Orten in Verbindung bringt; sie
hat ihre Bedeutung für den Politiker, der in dem
einheitlichen Recht ein festes Band und eine neue