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ihm überhaupt nicht gestellt werden. Im Ver-
hältnis zwischen Eltern und Kindern ist an die
Stelle der väterlichen Gewalt die elterliche Gewalt
getreten, die beim Tod des Vaters auf die Mutter
übergeht, bei Lebzeiten beider Gatten der Mutter
neben dem Vater bezüglich der Sorge für die
Person des Kindes zusteht. Neben dieser Sorge
für die Person umschließt die elterliche Gewalt die
Sorge für das Vermögen des Kindes und dessen
Vertretung, sie ist darin der Vormundschaft ähn-
lich. Die gegenseitige Unterhaltspflicht ist auf
Aszendenten und Deszendenten beschränkt. Die
elterliche Gewalt endigt mit der Volljährigkeit des
Kindes, die mit der Vollendung des 21. Lebens-
jahrs oder mit der früheren Volljährigkeitserklä-
rung eintritt. Während der Dauer der elterlichen
Gewalt haben die Eltern eine begrenzte Nutz-
nießung des Vermögens der Kinder. Mit der
Beendigung der elterlichen Gewalt zerreißt das
engere rechtliche Band zwischen Eltern und Kind.
Die Vormundschaft ist eingehend auf der Grund-
lage der preußischen Vormundschaftsordnung ge-
regelt. Das Familienrecht hat die allgemeine
Rechtsstellung der Frau dem Mann und den Kin-
dern gegenüber gehoben.
Dem Erbrecht liegt der Gedanke zugrunde,
daß Gott den rechten Erben setze; die gesetzliche
Erbfolge ist deshalb als der Regelfall, die gewill-
kürte Erbfolge als die Ausnahme behandelt. Die
Verwandten erben nach Linien; zu einer Linie ge-
hören diejenigen Personen, welche mit dem Erb-
lasser einen gemeinsamen Stammvater haben. In
der Linie entscheidet die Ordnung. Die erste Ord-
nung bilden diejenigen Erben, welche den Erb-
lasser selbst zum Stammvater haben; die zweite
Ordnung wird durch die Eltern des Erblassers
und deren Abkömmlinge gebildet (Parentelen-
system). Neben den beiden ersten Ordnungen und
den Großeltern in der dritten Ordnung erbt auch
der überlebende Ehegatte, der die weiteren Ver-
wandten vollständig ausschließt. Sind keine Ver-
wandten und ist kein Ehegatte da, so erbt der
Fiskus den Nachlaß. Die gewillkürte Erbfolge
beruht auf einer rechtsgültigen Verfügung von
Todes wegen (Testament oder Erbvertrag). Die
Verfügung muß durch den Erblasser in Person
erfolgen, der nicht unter 16 Jahren sein darf. Für
das Testament sind verschiedene Formen zugelassen,
die ordentlichen Formen sind diejenigen der Er-
richtung vor Gericht oder Notar oder mittels einer
von dem Erblasser unter Angabe des Orts und
Tags eigenhändig ge= und unterschriebenen Er-
klärung. Ein Erbvertrag kann nur von einem
unbeschränkt geschäftsfähigen Erblasser und nur
vor einem Richter oder vor einem Notar bei gleich-
zeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen wer-
den. Ehegatten können ein gemeinschaftliches
Testament errichten. Testamente können jederzeit
widerrufen, Erbverträge dagegen nur im Ver-
tragsweg aufgehoben werden. Ist durch Ver-
fügung von Todes wegen ein Abkömmling oder
Zivilgesetzgebung.
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ein Elternteil oder ein Ehegatte des Erblassers
von der Erbschaft ausgeschlossen, so hat er kein
Recht auf Berufung zum Erben, sondern nur
einen Anspruch auf Auszahlung seines Pflicht-
teils, der in dem Wert der Hälfte des gesetzlichen
Erbteils besteht. Die Erbschaft wird kraft Ge-
setzes als Ganzes erworben, der Tote erbt den
Lebendigen. Doch kann der Erbe die Erbschaft
ausschlagen; nimmt er sie an, so haftet er un-
beschränkt für die Nachlaßschulden, aber er hat
verschiedene Rechtsbehelfe, um die Haftung mit
seinem Vermögen abzuwenden und auf den Wert
der Nachlaßmasse zu beschränken. Ist die Über-
schuldung des Nachlasses zu besorgen, so ist dem
Erben zu raten, das Aufgebot der Nachlaßgläu-
biger zur Anmeldung ihrer Forderungen zu be-
treiben und ein Inventar zu errichten, und dem
Nachlaßgläubiger ist der Antrag auf Inventar=
errichtung bei den Nachlaßgerichten zu empfehlen.
Das Recht auf Beschränkung seiner Haftung ver-
wirkt der Erbe, wenn er das richterlich angeord-
nete Inventar nicht oder nicht vollständig vorlegt.
Die Miterben stehen in einer Gemeinschaft zur
gesamten Hand und haften deshalb als Gesamt-
schuldner für die aus der Nachlaßmasse vor der
Auseinandersetzung vorweg zu befriedigenden Erb-
schaftsschulden.
Das B. G. B. ist Menschenwerk und als solches
der Vervollkommnung fähig, aber seine Sprache
ist möglichst genau, sein Inhalt deutsch, volks-
tümlich und sozial. Da das Recht nicht so sehr
dem Besitz als dem Verkehr zu dienen hat, so
mußte das B.G.B. dem Verkehrsinteresse seine
besondere Fürsorge zuwenden, es mußte nicht der
Besitzer, sondern der gutgläubige Dritte in den
Vordergrund seiner Regeln gestellt werden. Das
Bestreben auf Berücksichtigung der sozialen Re-
sormen zeigt sich vielfach, besonders aber in der
Reglung des für die Arbeiter so wichtigen Miets-
und Dienstvertrags. Seine Ergänzung findet
das B.G.B. in dem Handelsgesetzbuch für den
Handelsverkehr und in der Zivil= und Konkurs-
ordnung sowie dem Gesetz über die Zwangsvoll-
streckung in Grundstücke für die Beitreibung der
Forderungen. Auch in diesen Gesetzen hat die
Rücksicht auf die Erhaltung des Schuldners in
seiner selbständigen Existenz Fortschritte zu ver-
zeichnen. Sehen wir von dem Eheschließungs-
und Ehescheidungsrecht ab, so darf dem B.G.B.
und seinen Nebengesetzen nachgerühmt werden, daß
sie der an die Zivilgesetzgebung zu stellenden Aus-
gabe genügt haben. Ihre Fassung ermöglicht der
Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung, die
Rechtsvorschristen mit den Bedürfnissen der Zeit
in Einklang zu halten.
Literatur. Maas, Bibliographie des Bürger-
lichen Gesetzbuchs im Archiv für bürgerliches Recht
AXvl;v. Mandry-Geib, Der zivilrechtliche Inhalt
der Reichsgesetze; die Lehrbücher des bürgerlichen
„Rechts von Dernburg, Cosack, Crome (unvollendet),
Endemann, Enneccerus, Goldmann--Lilienthal,