Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

1287 Zivilisation 
Simeon, Kohler, Matthiaß, Biermann, v. Thur, 
sowie die Kommentare zum Bürgerlichen Gesetz- 
buch von Fischer-Henle, Warneyer, Achilles, Hölder, 
Oertmann, Neumann, v. Staudinger, Planck, Reh- 
bein; Motive u. Protokolle sowie Denkschrift u. 
Reichstagskommissionsbericht bei Guttentag. 
[Spahn.]) 
Zivilisation s. Kultur. 
Zivilliste. Geschichtliches, geltendes Recht 
und Statistik nach den einzelnen Ländern.] 
Zivilliste heißt der zur Verfügung des Landes- 
herrn gestellte Teil der Staatsausgaben, welcher 
zum Unterhalt des Landesherrn, der landesherr- 
lichen Familie und ihres Hoßhalts bestimmt ist. 
Wort und Begriff sind in England entstan- 
den. Dort wurde seit Heinrich V. dem König 
beim Regierungsantritt ein lebenslängliches Ein- 
kommen bewilligt, mit welchem er neben den Ein- 
künften aus den Domänen die Staatsausgaben 
zu bestreiten hatte. Im Jahr 1660 ward Karl II. 
eine Reihe von Einkünften (civil-list revenues) 
als ordentliches Einkommen der Krone überwiesen, 
womit er neben den Kosten der königlichen Hof- 
haltung die Kosten der Land= und Seemacht zu 
bestreiten hatte. Die Hälfte dieser Einkünfte wurde 
unter Wilhelm III. der Kontrolle des Parlaments 
unterstellt, während die andere Hälfte dem König 
zu seiner Hofhaltung und einem Teil der Zivil- 
verwaltung (eivil government), wozu insbeson- 
dere die Gehälter der Gesandten gehörten, frei 
überlassen blieb. Seit Wilhelm IV. wurden die 
Kosten für das civil government sämtlich auf 
den Staatshaushalt übernommen und die häus- 
lichen und regelmäßigen Ausgaben der Hofhal- 
tung mit 510 000 Pfund Sterling von den andern 
Staatsausgaben vollständig getrennt. Die Zivil- 
liste bestreitet seitdem nur die Kosten des Hofhalts 
nebst Gnadenbezeigungen und Pensionen. Sie 
wird bei jedem Regierungswechsel für die Lebens- 
zeit des Regenten neu bewilligt. Die englischen 
Prinzen und Prinzessinnen erhalten aus Staats- 
mitteln ihre Aussteuern sowie die Gelder zur 
Gründung eines Haushalts. Seit 1901 (Regie- 
rungsantritt König Eduards VII.) beträgt die 
Zivilliste 470 000 Pfd St.; für König Georg V. 
wurde sie in gleicher Höhe festgesetzt. Für jeden 
Sohn, der das 21. Lebensjahr erreicht hat (mit 
Ausnahme des Prinzen von Wales), wurde die 
jährliche Apanage auf 15.000 Pfd St. im Fall 
der Verheiratung und mit 6000 Pfd St. für jede 
Tochter festgesetzt. Der Prinz von Wales erhält 
die Einkünfte der Herzogtümer Cornwall und Lan- 
caster (etwa 60= bis 65 000 Pfd St. jährlich); die 
Königin-Mutter erhält 70 000 Pfd St. jährlich. 
In Frankreich wurde am 22. Nov. 1790 
durch die Nationalversammlung dem König eine 
auf die Dauer jeder Regierung zu bestimmende 
Zivilliste ausgesetzt und das Eigentum an den 
Domänen mit allen Vermehrungen aus dem 
Privatgut der Könige der Nation zugesprochen. 
Die Zivilliste betrug 25 Millionen Franken und 
  
— Zivilliste. 1298 
den Nutzgenuß des Kronguts. Die Republik hat 
am 6. Sept. 1870 die Wiedervereinigung des 
Kronguts mit den Staatsdomänen ausgesprochen. 
Der Präsident der Republik bezieht keine Zivil- 
liste, sondern ein jährlich zu bewilligendes Gehalt 
von 600 000 Franken nebst 300 000 Franken 
Repräsentationsgeldern und 300 000 Franken 
Reiseauslagen (Gesetz vom 16. Sept. 1871). 
In Deutschland ruhte bis in das 19. Jahrh. 
die Bestreitung der öffentlichen Ausgaben haupt- 
sächlich auf den Einkünften der Landesherren aus 
den Domänen. Das Kammergut war ursprüng- 
lich Hausgut der fürstlichen Familien, deren 
Landeshoheit sich regelmäßig auf ihren Familien= 
besitz stützte. Daß der Landesherr die Kosten der 
Ausübung seiner vom Reich abgeleiteten Landes- 
hoheit aus seinen eignen Mitteln zu bestreiten 
habe, galt als selbstverständlich; erst bei der nach- 
gewiesenen Unzulänglichkeit des Kammerguts durfte 
die Steuerkraft des Landes in Anspruch genommen 
werden. Die von den Landständen bewilligten 
Steuern flossen in die unter Kontrolle der Land- 
stände stehende Steuerkasse, während die Einkünfte 
des Kammerguts in die unter einer besondern 
Verwaltung stehende fürstliche Kammer eingezogen 
wurden. Neben dem Kammergut gab es in ein- 
zelnen deutschen Staaten eigentliches Staatsgut, 
dessen Benutzung dem Landesherrn nur als Träger 
der Staatsgewalt zustand und dessen Einkünfte 
ausschließlich zu Staatszwecken verwendet wurden. 
Mit der hausgesetzlichen Einführung des Primo- 
geniturrechts in den einzelnen Fürstenhäusern 
wurde das Kammergut mit der Staatssukzession 
verbunden und für unveräußerlich erklärt; seine 
Einkünfte dienten dem Glanz der landesherrlichen 
Familie und in ihrem überschießenden Betrag all- 
gemeinen Staatszwecken. Unter den Familien= 
gütern nahmen eine besondere Stelle ein: die 
Hausfideikommißgüter und die Schatullgüter, 
welch letztere ihre Bezeichnung daher führten, daß 
ihre Einkünfte nicht in die Hofkammer, sondern 
direkt in die fürstliche Schatulle flossen. Außer 
dem Kammergut und dem Staatsgut gab es auch 
Güter, welche völlig freies Privateigentum der 
Fürsten waren und in keinem Zusammenhang mit 
der Staatsverwaltung standen. 
Jemehr sich die Landeshoheit zur unbeschränkten 
Staatsgewalt entwickelte, um so mehr verschwand 
infolge des Zurückdrängens des landständischen 
Einflusses die Unterscheidung zwischen diesen ver- 
schiedenen Arten von Gütern und die Trennung 
der aus denselben gewonnenen Einkünfte. Der 
Abschluß der Entwicklung war jedoch in den ein- 
zelnen deutschen Staaten ein verschiedener. In 
Preußen z. B., wo die Landesherren seit Jahr- 
hunderten die ausschließliche Verfügung über die 
finanziellen Kräfte des Staats hatten, hob be- 
reits Friedrich Wilhelm I. 1713 den Unterschied 
zwischen Domänen und Schatullgütern auf, und 
nach dem Allgemeinen Landrecht steht auch an 
denjenigen Domanialgütern, deren Einkünfte dem 
 
	        
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