115
Auch die Form der erlassenen Entscheidung ist
selbstverständlich nicht für das Wesen derselben
maßgebend, wenngleich der „Richter“ bei seinen
Entscheidungen meist an strengere Formvorschriften
gebunden ist als der „Verwaltungsbeamte“. Die
richterliche Entscheidung des letzteren kann, ebenso
wie seine sonstigen Anordnungen, sofern es sich
nicht um verwaltungsgerichtliche Akte handelt, in
jeder beliebigen Form ergehen, die Willenserklä-
rung kann durch alle gebräuchlichen und allgemein
verständlichen Mittel, in Schriftform, mündlich
oder durch Zeichen, erfolgen; auch ihre Bekannt-
machung durch Behändigung an eine Einzel-
person oder Anschlag oder Ausruf, der sich an
eine größere Mehrheit von Personen richtet, unter-
liegt freieren Formen als z. B. die Zustellung eines
Zivil= oder Strafurteils.
Was endlich die freiwillige Gerichtsbarkeit an-
langt, so wird diese von den Gerichten ausgeübte
Tätigkeit jetzt fast allgemein ihrem Inhalt nach
als nicht richterliche Verwaltungstätigkeit aufge-
faßt. Die Mitwirkung bei Begründung von Rechts-
verhältnissen, die Beurkundungen, die Aussicht
über Personen, die fremdes Vermögen verwalten,
und die Verwahrung von Urkunden und sonstigen
Wertgegenständen ist allerdings inhaltlich mit der
richtenden Tätigkeit kaum in Beziehung zu setzen.
In Verfügungen, die Verpflichtungen oder ihre
Erfüllung nicht feststellen, sondern Pflichten er-
zeugen, tritt noch ein anderer Unterschied zwischen
einem einen Richterspruch enthaltenden Verwal-
tungsakt und einem solchen andern Inhalts in-
sofern hervor, als diese „nicht zur Rechtskraft im
prozessualen Sinn erwachsen“, sondern nach Lage
der Sache jederzeit geändert werden können, wäh-
rend die eine Sentenz enthaltenden Verfügungen
entweder von vornherein oder nach Erschöpfung
eines bestimmten Instanzenzugs oder bei Unter-
lassung der Innehaltung gewisser Fristen und der
Beobachtung gewisser Formen unanfechtbar wer-
den. Dieser Unterschied ist allerdings nicht wesent-
lich, wenngleich fast durchweg zu konstatieren.
Denn die Anderung einer einen Richterspruch nicht
enthaltenden Verwaltungsverfügung „nach Lage
der Sache“ ist eben eine zu den Amtspflichten des
Versügenden gehörende Handlung, die in gleicher
Weise wie die zuerst ergangene Verfügung die
Rechte und Pflichten der Betroffenen bindend fest-
stellt, insofern die geänderte Verfügung bis zur
Anderung, die ändernde von der Anderung ab in
Wirksamkeit tritt. Die Frage der Zweckmäßigkeit
einer Verfügung unterliegt übrigens meistens nur
der Prüfung durch die verfügende Behörde oder
deren vorgesetzte Instanz, nicht einem zur endgül-
tigen Entscheidung etwa berufenen „ordentlichen
Gericht“. Die Kompetenzverteilung hinsichtlich
der erwähnten Staatsfunktionen erweist, daß die
Aufsgaben des Richters und Verwaltungsbeamten
im historisch gegebenen Sinn keineswegs der rich-
terlichen und nichtrichterlichen Staatstätigkeit im
dogmatischen Sinn entsprechen.
Staatsverwaltung ufw.
116
Man kann die gesamte verwaltende Staats-
tätigkeit auch einteilen in diejenige, die ihr nächst-
liegendes Anwendungsgebiet innerhalb des Or-
ganismus der Staatsverwaltung selbst findet, und
diejenige, die zur Ausübung der obrigkeitlichen
Besugnisse gegenüber den Untertanen dient. Wie
aber die allgemeinen Vorschriften für den innern
Gang der Verwaltung sich inhaltlich als Rechts-
normen darstellen, so hat diese Unterscheidung
auf dem Gebiet der Rechtsausführung juristisch
streng formalen Charakter, insofern sie das Unter-
scheidungsmerkmal nicht aus einer Verschieden-
artigkeit der Handlungen in ihren Beziehungen zu
der Rechtsordnung, sondern aus bestimmten Eigen-
schaften der Personen, denen gegenüber sie vor-
genommen werden, entnimmt.
II. Die Selbstverwaltung. In einen ge-
wissen Gegensatz zur Staatsverwaltung setzt man
häufig die Selbstverwaltung. Das Unterschei-
dungsmerkmal bei einer solchen Gegenüberstellung
liegt im Subjekt der als Verwaltung bezeichneten
Tätigkeit; denn da im Begriff der Staatsver-
waltung der Begriff des Staats nur den Sinn
hat, daß die durch den Gesamtbegriff bezeichnete
Verwaltung vom Staat ausgeht, so kann der
Begriff des „Selbst“ bei einer Gegenüberstellung
von Staats= und Selbstverwaltung nur den Sinn
haben, daß die letztere nicht vom Staat, sondern
von jemand ausgeht, der bei den zu verwaltenden
Geschäften irgendwie in besonderer Weise inter-
essiert ist.
Was zunächst die Gegensätzlichkeit der Selbst-
verwaltung in Beziehung auf die Staatsverwal-
tung betrifft, so ist diese mit der herrschenden
Ansicht zu leugnen. Allerdings sind nicht alle
über den Wirkungskreis des Individuums hinaus-
reichenden Aufgaben deshalb schon Staatsauf-
gaben. Vielmehr bilden sich unter den Gliedern
des Staats und zwischen den Gliedern verschiedener
Staaten Rechtsgemeinschaften zur Verfolgung be-
stimmter besonderer Zwecke, und staatliche Rechts-
normen, die auf derartige Rechtsgemeinschaften
Anwendung finden, bezwecken nicht die Herbei-
führung der von jenen Rechtsgemeinschaften ver-
folgten Zwecke, sondern regeln nur ihre Ver-
solgung in Beziehung auf die übrigen Staats-
glieder. Wo aber, wie bei der Selbstverwaltung,
der Staat die von den Selbstverwaltungskörpern
zu verfolgenden Zwecke selbst spezialisiert und den
betreffenden Verbänden zur Verfolgung über-
weist, da macht er diese Aufgaben zu Staats-
aufgaben, zu deren Erledigung er besonders or-
ganisierte Behörden, eben die Selbstverwaltungs-
körper, mit entsprechenden Kompetenzen ausstattet,
die er selbstverständlich zu erweitern und zu ver-
ringern vermag. Man kann daher bei der Selbst-
verwaltung weder von einer Selbstbeschränkung
des Staats in der Ausübung seiner Hoheitsrechte
durch Schaffung eines mit einer besondern Rechts-
sphäre ausgestatteten Zwischenbaues zwischen Staat
und Individuum noch von der Verfolgung be-