Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Seinem positiven Inhalt nach hat er aber eine 
weitere und eine engere Bedeutung. Im wei- 
teren Sinn besagt „Zölibat“ nichts anderes als 
das für alle nicht in der Ehe Lebenden lege di- 
vina bestehende Gebot, sich für die Dauer ihrer 
Ehelosigkeit von jedem geschlechtlichen Umgang zu 
enthalten und die Keuschheit zu wahren. Im 
engeren kirchenrechtlichen Sinn versteht man 
unter Zölibat die den Klerikern der höheren Weihen 
durch kirchliches Gesetz auferlegte Verpflichtung, 
nicht nur jenes Gebot besonders gewissenhaft zu 
beobachten — dies gehört zu den allgemeinen 
Standespflichten aller, auch der niederen Kleri- 
ker —, sondern sich auch der Ehe selbst zu ent- 
halten, d. h. entweder überhaupt keine Ehe einzu- 
gehen oder wenigstens die vor Empfang der 
höheren Weihen geschlossene Ehe nicht mehr fort- 
zusetzen, ut, wie Leo I. sagt, et qui habent (uxo- 
res), sint tamquam non habentes, et qui non 
habent, permaneant singulares (Ep. ad Ana- 
stasium ep. Tessal. c. 4 c. 1 D. 32). Damit 
nähert sich der Begriff des Zölibats dem der Vir- 
ginität, ohne jedoch mit ihm zusammenzufallen. 
Die Darlegung der Gründe, die für den 
Zölibat sprechen, und die Würdigung der Ein- 
würfe gegen denselben gehört nicht hierher. Nur 
soviel sei hervorgehoben: Der Zölibat findet seinen 
innersten Grund in der auf Christi und der Apostel 
Wort und Beispiel (Matth. 19, 12 u. 16—30; 
1 Kor. 7, 32—38) beruhenden Lehre der Kirche, 
daß der jungfräuliche Stand sittlich erhabener und 
darum verdienstlicher und zum Dienst Gottes ge- 
eigneter ist als der eheliche (ogl. Trid. sess. XXIV 
de sacr. matr. c. 10). Und gerade die ungleich 
höhere Würde des neutestamentlichen Priester- 
tums, seine enge Verbindung mit dem eucharisti- 
schen Opfer zeigt die Ziemlichkeit des Zölibats. 
Alle übrigen Gründe, zumal die der Zweckmäßig- 
keit, treten angesichts dieser beiden Gedanken zu- 
rück. Gleichwohl können selbst diese nur die An- 
gemessenheit des Zölibats erweisen, nicht aber seine 
absolute Notwendigkeit. Das ergibt sich schon aus 
der einen Erwägung: nicht auf göttlichem Gebot, 
sondern auf kirchlicher, also menschlicher Satzung 
beruht der Zölibat; nicht der Zölibat, sondern die 
Ehe ist Sakrament (vgl. des näheren Wernz, Lus 
decretalium III2„1906) Nr 197; Scherer, Hand- 
buch des Kirchenrechts II1886] 387fj; Laurin, 
Der gzolibat der Geistlichen (/1880)] 23 ff 42 ff 
183f 
. 
II. Geschichte. 1. Dieälteste Zeit. Dem 
Vorbild des Herrn folgend, haben sich die Apostel, 
auch, wie es sich nach allem ergeben dürfte, die- 
jenigen, welche, wie der hl. Petrus vor ihrer Be- 
Zölibat. 
  
1320 
zwischen Bickell, in Zeitschrift für kathol. Theologie 
2 1878) 26 ff; 3 11879) 792 ff und Funk, Ab- 
handlungen und Untersuchungen 1 121 ff, ferner 
dazu Schiwietz, Archiv für katholisches Kirchenrecht 
LXXVIII [1898)] 313 ff und Funk, Theologische 
Quartalschrift LXXXII [1900] 157 ff). Ver- 
heiratete wie Unverheiratete wurden zum heiligen 
Dienst zugelassen, nur sollten sich die verehelichten 
Kleriker, wie dies schon im Alten Testament ge- 
fordert wurde (2 Mos. 19. 15; 3 Mos. 10, 9; 
22, 3), zur Zeit ihres priesterlichen Dienstes des 
Umgangs mit ihren Ehefrauen enthalten (1 Kor. 
7, 5). Verboten aber war für Bischöfe, Priester 
und Diakone die Schließung einer zweiten Ehe 
(1 Tim. 3, 2; Tit. 1, 6: unius usoris vir). 
Wenn es nun auch kein apostolisches Zölibatsgebot 
gab, so läßt sich doch von einer apostolischen 
Praxis sprechen, die schon bald zu einer allge- 
meinen Gewohnheit führen mußte. Und in 
der Tat kann man dies bereits sehr früh nach- 
weisen. Wohl mußte die Kirche infolge der er- 
wähnten Kaisergesetze gegen die Ehelosigkeit und 
Kinderarmut ob des Mangels an unverheirateten 
Klerikern wie insbesondere wegen der gnostisch- 
manichäischen Geringschätzung der Ehe den ver- 
heirateten Klerikern die Fortsetzung des ehelichen 
Lebens gestatten (Can. Apost. n. 6 und 50 
Cc. 14 D. 28; Syn. Gangra a. 343 c. 4 
— c. 15 D. 28). Dennoch machte sich bei der 
allgemeinen Wertschätzung des jungfräulichen Le- 
bens mehr und mehr die Praxis geltend, unver- 
heirateten Klerikern die Eheschließung zu verbieten 
bzw. eine solche mit der Entfernung aus dem 
Klerus zu beantworten (Syn. Neocaesar. a. 
314/325 c. 1 — c. 9 D. 28; ogl. auch Constit. 
Apost. VI c. 17). Aber zu einem allgemeinen 
und absoluten Zölibatsgebot, d. h. einem Verbot, 
nicht bloß eine Ehe zu schließen, sondern auch die 
vor der Weihe eingegangene Ehe fortzusetzen, kam 
es zunächst noch nicht. Ein dahin gehender An- 
trag wurde auf dem Konzil zu Nicäa 325 auf 
Grund des Widerspruchs des selbst unverheirateten 
Bischofs Paphnutius aus der Ober-Thebais ab- 
gelehnt, der dem Konzil empfahl, es bei der bis- 
herigen Praxis zu belassen. Und gerade diese 
Gegenausführungen des Bischofs sind für uns 
deshalb wertvoll, weil sie uns das Bestehen einer 
alten und allgemeinen Gewohnheit beweisen, wo- 
nach unverheiratete Kleriker keine Ehe mehr ein- 
gehen konnten, verheiratete die Ehe fortsetzen, aber 
keine zweite Ehe schließen durften (Sokrates, Hist. 
ccl. 1, 11; Sozomenus, Hist. eccl. 1. 268c. 12 
D. 31; vgl. Hefele, Konziliengeschichte 1 431 ff. 
2. Die Entwicklung im Orient. Diese 
rufung verheiratet waren, der Ehe enthalten und Gewohnheit war zwar für die meisten Gegenden 
immer und immer wieder, 
insbesondere der maßgebend — nur die Synode von Anchyra hatte 
hl. Paulus, das jungsräuliche Leben empfohlen im Jahr 814 den Diakonen gestattet, falls vorher 
(Matth. 19 27; 1 Kor. 7. 32— 38). Aber ein ausbedungen, auch nach Empfang der Weihe noch 
Gebot der Ehelosigkeit haben die Apostel für zu heiraten (c. 10 c. 8 1I0. 28) .— gleichwohl 
den Klerus nicht gegeben (ogl. die Kontroverse 
machte sich in der Praxis selbst im Orient eine 
über den apostolischen Ursprung des Zölibats strengere Richtung geltend. Epiphanius (/ 403;
	        
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