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des Norddeutschen Reichstags und aus nach dem
nämlichen Wahlsystem gewählten Abgeordneten der
süddeutschen Staaten. Die Hansestädte gehörten
dem Zollverein, wie schon erwähnt, zwar nicht an,
waren darin jedoch mit völlig gleichem Stimm-
recht wie die eigentlichen Vereinsmitglieder ver-
treten. Die Durchgangsabgaben wurden völlig
beseitigt, die Verteilung der Einkünfte erfolgte
gemäß der Bundesakte auch nach dem neuen Zoll-
vereinsvertrag nach dem Maßstab der Bevölke-
rung. Im Jahr 1869 genehmigte das Zollparla-=
ment ein neues, die seither vereinbarten Zollgesetze,
Zollordnungen und Zollstrafen zusammenfassendes
Vereinszollgesetz vom 1. Juni 1869, in
welchem die früheren, den Tarif nicht betreffenden
Bestimmungen neu redigiert und teilweise im
Sinn tunlichster Verkehrserleichterung abgeändert
wurden.
Der Krieg von 1870/71 hatte die Vereinigung
der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen
Bund zum Deutschen Reich zur Folge. Art. 40
der Reichsverfassung hat zwar den Zollvereinsver-
trag vom 8. Juli 1867 ausdrücklich als fortan zu
Recht bestehend erklärt, jedoch nur insoweit, als
er nicht durch die Reichsverfassung abgeändert ist
oder auf dem daselbst bezeichneten gesetzlichen Weg
abgeändert wird. Nach der Reichsverfassung
unterliegen nunmehr die Zoll= und Handelsgesetz-
gebung der Aufsicht des Reichs und der Reichs-
gesetzgebung. Vgl. Art. Zollwesen (Sp. 1346 ff).
Die Ergebnisse des Zollvereins waren, abge-
sehen davon, daß er das politische Übergewicht
Preußens befestigte und die staatsrechtliche Um-
gestaltung Deutschlands in kleindeutschem Sinn
vorbereitete, ein wesentlicher wirtschaftlicher Auf-
schwung und die Erleichterung von Handel und
Verkehr. Der Zollverein regelte nicht bloß die
Zollpolitik, er schuf auch ein einheitliches Ver-
brauchssteuersystem und regte eine einheitliche
deutsche Wechselordnung (1847), sowie die Ver-
einheitlichung des Münzwesens (Münzkonvention
von 1838, Münzverein von 1857) und des Ge-
wichtswesens (Zollpfund) an.
Literatur. Nebenius, Der deutsche 3Z. (1835);
Igidi, Aus der Vorzeit des 3.3 (1865); Emming-
haus, Entwicklung, Krisis u. Zukunft des deutschen
3, 8 (1863); W. Weber, Der deutsche 3. (71871);
Festenberg-Pakisch, Geschichte der deutschen Z.e
(1869); Schmoller, Das preußische Handels= u.
Zollgesetz von 1818 (1898); L. Bosc, Zollallianzen
u. Zollunionen, deutsch von Schilder (1907).
[Widder; Sacher.]
Zollwesen. I. Allgemeines. Zölle sind Ab-
gaben, welche vom Staat für die Ein-, Aus- oder
Durchfuhr von Waren erhoben werden. Nach dem
Erhebungsort unterscheidet man Binnenzölle
und Grenzzölle. Die Binnenzölle wurden
früher innerhalb der Landesgrenzen als Entgelt
für gewährte Unterstützung und Geleit, für Unter-
halt der Brücken, Straßen usw. erhoben. In
Deutschland wurden sie in den ersten Jahrzehnten
Zollwesen.
1340
des 19. Jahrh. beseitigt, abgesehen von den
Rheinschiffahrtsabgaben, die 1861 aufgehoben
wurden, und den Elbzöllen, die 1870 fielen. Als
Binnmenzölle betrachtet werden bisweilen jedoch
noch die seit dem 1. April 1910 nur noch sehr
beschränkt zulässigen städtischen Verbrauchssteuern
und die sog. Ubergangsabgaben, welche
innerhalb des deutschen Zollgebiets erhoben wer-
den, wenn diese die Grenzen gewisser Bundes-
staaten oder Gruppen von solchen überschreiten
(ogl. Sp. 1347). Die Grenzzölle sind entweder
Einfuhr= oder Ausfuhr= oder Durch-
gangs-(Transit-) Zölle. Die Ausfuhrzölle,
die namentlich im Zeitalter der merkantilistischen
Wirtschaftspolitik erhoben wurden, haben heute
ihre Bedeutung verloren; von Wichtigkeit sind sie
nur noch in China, Japan, Brasilien, Agypten
und Tunis. In kleinerer Zahl finden sie sich auch
in Rußland, Italien, Spanien, der Schweiz usw.
Einen Kohlenausfuhrzoll besaß aus finanziellen
Gründen (Beitrag zu den großen Kosten des
südafrikanischen Kriegs) in den Jahren 1901/06
England. In Deutschland sind in den letzten
Jahren verschiedentlich Ausfuhrzölle auf Kohlen,
Kali und Lumpen aus wirtschaftspolitischen Grün-
den angeregt worden. (Ein Lumpenausfuhrzoll im
Interesse der heimischen Industrie bestand übri-
gens schon bis 1873.) Die Durchgangszölle, aus
den mittelalterlichen Binnenzöllen hervorgegangen,
wollen den Wettbewerb der das eigne Gebiet
durchschreitenden fremden Waren auf dem aus-
ländischen Markt erschweren oder die fremden
Waren im Inland festhalten. Infolge der Ent-
wicklung des Eisenbahn= und Schiffahrtsverkehrs
sind die Durchgangszölle allgemein gefallen, in
Deutschland (Zollverein) schon seit 1861. Nach
der Art der Bemessung unterscheidet man Wert-
zölle (Zölle ad valorem) und Gewichts-
zölle. Die Wertzölle werden in Prozenten des
deklarierten Werts oder Preises der zollpflichtigen
Gegenstände erhoben, die Gewichtszölle in festen
Sätzen nach bestimmtem Maß (z. B. 1 hl) oder
Gewicht (100 kg). Auch Stückzölle bestehen,
z. B. für Tiere (gebräuchlicher jedoch ist für diese
Verzollung nach Doppelzentner Lebendgewicht).
Gewichts- und Stückzölle heißen auch spezifische
oder Tarifzölle. Zur Vermeidung zu niedriger
Dellaration steht bei Wertzöllen dem Staat ein Vor-
verkaufsrecht zu dem deklarierten Preis zuzüglich
eines Zuschlags (meist 10 %) zuz auch hat er zur
Erforschung des genauen Werts Ermittlungs-
bureaus eingerichtet. Leichter, einfacher, billiger
ist die Erhebung nach Tarifzöllen, die auch
weniger zu Hinterziehungen reizen können. Heute
herrschen im allgemeinen die Tarifzölle vor, Werl-
zölle bestehen namentlich in den Vereinigten Staa-
ten von Amerika, auch in den Niederlanden und
in Belgien, in kleinerer Zahl auch in Frankreich
(im Deutschen Reich nur für Pferde). Die Tarif-
zölle nähern sich den Wertzöllen, wenn der Zoll-
tarif die einzelnen Gegenstände nach der Qualität,