Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

1339 
des Norddeutschen Reichstags und aus nach dem 
nämlichen Wahlsystem gewählten Abgeordneten der 
süddeutschen Staaten. Die Hansestädte gehörten 
dem Zollverein, wie schon erwähnt, zwar nicht an, 
waren darin jedoch mit völlig gleichem Stimm- 
recht wie die eigentlichen Vereinsmitglieder ver- 
treten. Die Durchgangsabgaben wurden völlig 
beseitigt, die Verteilung der Einkünfte erfolgte 
gemäß der Bundesakte auch nach dem neuen Zoll- 
vereinsvertrag nach dem Maßstab der Bevölke- 
rung. Im Jahr 1869 genehmigte das Zollparla-= 
ment ein neues, die seither vereinbarten Zollgesetze, 
Zollordnungen und Zollstrafen zusammenfassendes 
Vereinszollgesetz vom 1. Juni 1869, in 
welchem die früheren, den Tarif nicht betreffenden 
Bestimmungen neu redigiert und teilweise im 
Sinn tunlichster Verkehrserleichterung abgeändert 
wurden. 
Der Krieg von 1870/71 hatte die Vereinigung 
der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen 
Bund zum Deutschen Reich zur Folge. Art. 40 
der Reichsverfassung hat zwar den Zollvereinsver- 
trag vom 8. Juli 1867 ausdrücklich als fortan zu 
Recht bestehend erklärt, jedoch nur insoweit, als 
er nicht durch die Reichsverfassung abgeändert ist 
oder auf dem daselbst bezeichneten gesetzlichen Weg 
abgeändert wird. Nach der Reichsverfassung 
unterliegen nunmehr die Zoll= und Handelsgesetz- 
gebung der Aufsicht des Reichs und der Reichs- 
gesetzgebung. Vgl. Art. Zollwesen (Sp. 1346 ff). 
Die Ergebnisse des Zollvereins waren, abge- 
sehen davon, daß er das politische Übergewicht 
Preußens befestigte und die staatsrechtliche Um- 
gestaltung Deutschlands in kleindeutschem Sinn 
vorbereitete, ein wesentlicher wirtschaftlicher Auf- 
schwung und die Erleichterung von Handel und 
Verkehr. Der Zollverein regelte nicht bloß die 
Zollpolitik, er schuf auch ein einheitliches Ver- 
brauchssteuersystem und regte eine einheitliche 
deutsche Wechselordnung (1847), sowie die Ver- 
einheitlichung des Münzwesens (Münzkonvention 
von 1838, Münzverein von 1857) und des Ge- 
wichtswesens (Zollpfund) an. 
Literatur. Nebenius, Der deutsche 3Z. (1835); 
Igidi, Aus der Vorzeit des 3.3 (1865); Emming- 
haus, Entwicklung, Krisis u. Zukunft des deutschen 
3, 8 (1863); W. Weber, Der deutsche 3. (71871); 
Festenberg-Pakisch, Geschichte der deutschen Z.e 
(1869); Schmoller, Das preußische Handels= u. 
Zollgesetz von 1818 (1898); L. Bosc, Zollallianzen 
u. Zollunionen, deutsch von Schilder (1907). 
[Widder; Sacher.] 
Zollwesen. I. Allgemeines. Zölle sind Ab- 
gaben, welche vom Staat für die Ein-, Aus- oder 
Durchfuhr von Waren erhoben werden. Nach dem 
Erhebungsort unterscheidet man Binnenzölle 
und Grenzzölle. Die Binnenzölle wurden 
früher innerhalb der Landesgrenzen als Entgelt 
für gewährte Unterstützung und Geleit, für Unter- 
halt der Brücken, Straßen usw. erhoben. In 
Deutschland wurden sie in den ersten Jahrzehnten 
Zollwesen. 
  
1340 
des 19. Jahrh. beseitigt, abgesehen von den 
Rheinschiffahrtsabgaben, die 1861 aufgehoben 
wurden, und den Elbzöllen, die 1870 fielen. Als 
Binnmenzölle betrachtet werden bisweilen jedoch 
noch die seit dem 1. April 1910 nur noch sehr 
beschränkt zulässigen städtischen Verbrauchssteuern 
und die sog. Ubergangsabgaben, welche 
innerhalb des deutschen Zollgebiets erhoben wer- 
den, wenn diese die Grenzen gewisser Bundes- 
staaten oder Gruppen von solchen überschreiten 
(ogl. Sp. 1347). Die Grenzzölle sind entweder 
Einfuhr= oder Ausfuhr= oder Durch- 
gangs-(Transit-) Zölle. Die Ausfuhrzölle, 
die namentlich im Zeitalter der merkantilistischen 
Wirtschaftspolitik erhoben wurden, haben heute 
ihre Bedeutung verloren; von Wichtigkeit sind sie 
nur noch in China, Japan, Brasilien, Agypten 
und Tunis. In kleinerer Zahl finden sie sich auch 
in Rußland, Italien, Spanien, der Schweiz usw. 
Einen Kohlenausfuhrzoll besaß aus finanziellen 
Gründen (Beitrag zu den großen Kosten des 
südafrikanischen Kriegs) in den Jahren 1901/06 
England. In Deutschland sind in den letzten 
Jahren verschiedentlich Ausfuhrzölle auf Kohlen, 
Kali und Lumpen aus wirtschaftspolitischen Grün- 
den angeregt worden. (Ein Lumpenausfuhrzoll im 
Interesse der heimischen Industrie bestand übri- 
gens schon bis 1873.) Die Durchgangszölle, aus 
den mittelalterlichen Binnenzöllen hervorgegangen, 
wollen den Wettbewerb der das eigne Gebiet 
durchschreitenden fremden Waren auf dem aus- 
ländischen Markt erschweren oder die fremden 
Waren im Inland festhalten. Infolge der Ent- 
wicklung des Eisenbahn= und Schiffahrtsverkehrs 
sind die Durchgangszölle allgemein gefallen, in 
Deutschland (Zollverein) schon seit 1861. Nach 
der Art der Bemessung unterscheidet man Wert- 
zölle (Zölle ad valorem) und Gewichts- 
zölle. Die Wertzölle werden in Prozenten des 
deklarierten Werts oder Preises der zollpflichtigen 
Gegenstände erhoben, die Gewichtszölle in festen 
Sätzen nach bestimmtem Maß (z. B. 1 hl) oder 
Gewicht (100 kg). Auch Stückzölle bestehen, 
z. B. für Tiere (gebräuchlicher jedoch ist für diese 
Verzollung nach Doppelzentner Lebendgewicht). 
Gewichts- und Stückzölle heißen auch spezifische 
oder Tarifzölle. Zur Vermeidung zu niedriger 
Dellaration steht bei Wertzöllen dem Staat ein Vor- 
verkaufsrecht zu dem deklarierten Preis zuzüglich 
eines Zuschlags (meist 10 %) zuz auch hat er zur 
Erforschung des genauen Werts Ermittlungs- 
bureaus eingerichtet. Leichter, einfacher, billiger 
ist die Erhebung nach Tarifzöllen, die auch 
weniger zu Hinterziehungen reizen können. Heute 
herrschen im allgemeinen die Tarifzölle vor, Werl- 
zölle bestehen namentlich in den Vereinigten Staa- 
ten von Amerika, auch in den Niederlanden und 
in Belgien, in kleinerer Zahl auch in Frankreich 
(im Deutschen Reich nur für Pferde). Die Tarif- 
zölle nähern sich den Wertzöllen, wenn der Zoll- 
tarif die einzelnen Gegenstände nach der Qualität,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.