Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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milian I. noch mehrmals gemachten Versuche der 
Wiederherstellung eines Reichszollwesens in ver- 
änderter Gestalt scheiterten an dem hartnäckigen 
Widerstand der Reichsstädte. Im 15. Jahrh. 
entwickelte sich ein selbständiges, natürlich sehr 
verschiedenes städtisches Zollrecht, das jedoch immer 
noch, wie die landesherrlichen Zollrechte, von dem 
allerdings nur mehr dem Namen nach geltenden 
Reichsgrundgesetz abhängig war. Im 14. Jahrh. 
findet sich häufig die Zeitpacht; allein es wurden 
nur die einzelnen Zollstätten in Pacht oder „Be- 
stand“ gegeben, nicht aber ein landesherrliches 
Zollwesen im ganzen. Zollfrei waren, wie schon 
im fränkischen Reich, Geistliche, Pilger, Ritter und 
ihr Gesinde, jedoch nur für ihre Person und be- 
züglich des zum eignen Gebrauch Mitgeführten. 
Der Westfälische Friede drückte endlich die Ober- 
hoheit des Kaisers und der Kurfürsten in Zoll- 
sachen zur bloßen Form herab. Die Unabhängig- 
keit des landesherrlichen und territorialen Zoll- 
wesens wurde nunmehr tatsächlich festgestellt, und 
dadurch bildete sich im Lauf des 18. Jahrh. in 
den größeren Reichsstaaten ein neues, besonderes 
Zollsystem aus. Die höchst unerquicklichen Zu- 
stände, welche in Deutschland zu Anfang des 
19. Jahrh. bezüglich des Zollwesens bestanden, 
indem fast jede Stadt durch eine Akzise wieder 
vom Land getrennt und Deutschland mit einem 
fast undurchdringlichen Netz von Zollgrenzen über- 
zogen und jeder Verkehr zwischen den einzelnen 
Teilen eines Landes sowie von Stadt zu Stadt 
durch ein höchst lästiges Kontrollsystem gehindert 
und erschwert war, riefen im Jahr 1816 eine 
Bewegung hervor, welcher zunächst Preußen einen 
tatkräftigen Ausdruck verlieh, indem es durch 
Gesetz vom 26. Mai 1818 ein neues Zoll= und 
Steuersystem schuf, wonach die Zollinie an die 
Landesgrenze verlegt, alle Binnenzölle aufgehoben, 
die Privaten für ihre Berechtigungen entschädigt 
und der innere Verkehr unter Beschränkung des 
Zollsystems auf die Bewachung der äußern Grenzen 
völlig freigegeben wurde. Alle fremden Erzeug- 
nisse der Natur und Kunst durften nunmehr im 
ganzen Umfang des Staats eingebracht, verkauft 
und durchgeführt und ebenso alle inländischen 
Erzeugnisse ausgeführt werden; nur Salz und 
Spielkarten blieben Regalien. Die Einfuhrzölle 
waren nicht hoch, leicht zu erheben, und die Zoll- 
sätze wurden nicht nach dem Wert der Waren, 
sondern nur nach Maß, Zahl oder Gewicht be- 
stimmt. Nachdem das preußische Gesetz vom 
26. Mai 1818 einmal den Anstoß zur Beseiti- 
gung des alten, unhaltbaren Systems gegeben 
hatte, folgte in den Jahren 1819/30 eine Reihe 
von Verträgen über gemeinsame Zollerhebung an 
den Grenzen und freien Handel unter sich zwischen 
Preußen und einzelnen enklavierten Staaten, bis 
endlich nach langen und schweren Kämpfen zwi- 
schen den verschiedenen deutschen Staaten am 
22. März 1833 der sog. große Deutsche Zoll- 
verein zustande kam (val. d. Art. Zollverein). 
Staatslexikon. v. 3. u. 4. Aufl. 
  
Zollwesen. 
  
1346 
III. Das deutsche Zollrecht. Das Recht, 
Zölle anzuordnen und zu erheben, ist ein staat- 
liches Souveränitätsrecht. Schon vor Gründung 
des Deutschen Reichs war die Mehrzahl der 
deutschen Staaten zu einem einheitlichen Zoll- 
gebiet zusammengeschlossen, das den Namen deut- 
scher Zollverein trug. Die verfassungsrecht- 
liche Grundlage des Zollwesens des Deutschen 
Reichs beruht neben den diesbezüglichen Bestim- 
mungen der Reichsverfassung (Art. 33/40) auch 
auf dem zwischen dem Norddeutschen Bund und 
den süddeutschen Staaten geschlossenen Zollvereini- 
gungsvertrag vom 8. Juli 1867, soweit dessen 
Bestimmungen nicht durch die Reichsverfassung 
eine Abänderung erfahren haben. Preußen hat 
für das gesamte Zollrecht ein Veto gegen Ver- 
änderungen des bestehenden Zustands (Reichsverf. 
rt. 5). 
Das Deutsche Reich bildet ein einheitliches 
Zoll= und Handelsgebiet. Das deutsche Zollgebiet 
deckt sich jedoch nicht vollständig mit dem Reichs- 
gebiet. Nach der Begrenzung durch Gesetz vom 
2. Dez. 1895 sind zurzeit folgende deutsche Ge- 
bietsteile (Zollausschlüsse) in das deutsche 
Zollgebiet nicht einbezogen: die Insel Helgo- 
land, die Freihäfenviertel Hamburg, Cuxhaven, 
Bremerhafen und Geestemünde, die Zollausschluß- 
gebiete Emden und Bremen, schließlich in den ba- 
dischen Kreisen Konstanz und Waldshut einige 
Ortschaften und Höfe, die sämtlich von Schweizer 
Gebiet umschlossene deutsche Exklaven sind. Der 
Anschluß der Hansestädte Hamburg und Bremen 
an das deutsche Zollgebiet ist erst im Jahr 1888 
erfolgt. Sodann gehören zum deutschen Zollgebiet 
aber auch Gebietsteile (Zollanschlüsseh, welche 
nicht Bestandteile des Deutschen Reichs sind; es 
sind das 1) das Großherzogtum Luxemburg (auf 
Grund des Vertrags vom 11. Nov. 1902 für die 
Zeit, auf welche das Deutsche Reich den Betrieb 
der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen übernahm, 
d. i. bis 31. Dez. 1959); 2) die österreichische Ge- 
meinde Jungholz (Tirol) durch Vertrag zwischen 
Bayern und Osterreich vom 3. Mai 1868; 3) die 
österreichische Gemeinde Mittelberg (Voralberg) 
durch Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und 
Osterreich vom 2. Dez. 1890. 
Die Gesetzgebung in Zollsachen steht ausschließ- 
lich dem Reich zu. Die geltenden Reichszollgesetze 
sind in der Hauptsache das sog. Vereinszoll- 
gesetz vom 1. Juli 1869, das die gesamte Zoll- 
ordnung und das Zollstrafgesetzbuch enthält, ferner 
das Zolltarifgesetz vom 25. Dez. 1902 ein- 
schließlich der mit außerdeutschen Staaten geschlos- 
senen Zollverträge (Handelsverträge; val. d. Art.). 
Das Vereinszollgesetz gestattet die freie 
Einfuhr aller vom Ausland eingehenden Gegen- 
stände, soweit nicht der Zolltarif einen Ein- 
gangszoll festsetzt. Von der Ausfuhr werden keine 
Abgaben erhoben. Bei Eintritt oußerordentlicher 
Umstände oder zur Abwehr gefährlicher anstecken- 
der Krankheiten oder aus sonstigen gesundheits- 
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