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eingehenden Proben und Muster von Kaffee, Ka-
kao, Zucker, Rohtabak und getrockneten Früchten im
Gewicht bis zu 350 g.
Die einzelnen Zollsätze sind für die der Bearbei-
tung unterliegenden Gegenstände im Interesse der
heimischen Industrie derart abgestuft, daß Roh-
stoffe, soweit diese überhaupt zollpflichtig sind, am
niedrigsten, Halbfabrikate höher und Ganzfabri-
kate am höchsten besteuert sind. Alsreine Finanzzölle
gelten nur die auf Material-= und Gewürz-(Spe-
zerei-waren (Tee, Kaffee usw.).
Zollpflichtige Waren, die aus Ländern stammen,
in welchen deutsche Schiffe oder Waren ungünstiger
behandelt werden als die anderer Länder, können
neben dem tarifmäßigen Zollsatz einem Zollzu-
schlag bis zum doppelten Betrag dieses Satzes oder
bis zur Höhe des vollen Wertes unterworfen wer-
den; zollfreie Waren können mit einem Zoll bis
zur Hälfte des Wertes belegt werden. Solche nach
erfolgter Zustimmung des Bundesrats durch kai-
serliche Verordnung getroffenen Anordnungen sind
wieder außer Kraft zu setzen, wenn der Reichstag
bei seinem Kächsten Zusamnernritr die Zustimmung
nicht erteilt.
Auskünfte in Zolltarifangelegenheiten werden
seitens der Direktivbehörden erteilt über Waren,
die bei einer Zollstelle des Direktivbezirks abge-
fertigt werden sollen. Beschwerden über die An-
wendung des Tarifs werden im Verwaltungsweg
entschieden.
Bei der Ausfuhr von Roggen, Weizen, Spelz,
Gerste, Hafer, Buchweizen, Hülsenfrüchten, Raps
und Rübsen aus dem freien Verkehr des Zollgebiets
werden bei Mengen von wenigstens 500 kg Be-
scheinigungen (Einfuhrscheine) erteilt, die
den Inhaber berechtigen, innerhalb einer Frist
von 3 Monaten (seit 1. Dez. 1911, bis dahin
von 6 Monaten) eine dem Zollwert der Einfuhr-
scheine entsprechende Menge einer der vorgenannten
Waren ohne Zollentrichtung einzuführen. Bis
zum 1. Dez. 1911 waren diese Einfuhrscheine
auch zur Begleichung der Zollgefälle für Kaffee
und Petroleum zugelassen.
Auch die Inhaber von Mühlen oder Mälzereien
erhalten bei der Ausfuhr ihrer Erzeugnisse Ein-
fuhrscheine über eine entsprechende Menge Getreide
oder Hülsenfrüchte. Über das hierbei in Rechnung
zu stellende Ausbeuteverhältnis befindet der Bun-
desrat. Es wird berechnet nach Feinheitstypen,
jedoch werden Einfuhrscheine für Mehl nicht ge-
währt, bei dem das Ausbeuteverhältnis höher als
65 % bei Roggen und 75 %% bei Weizen ist. Auch
den Inhabern von Olmühlen wird für die Aus-
fuhr der von ihnen hergestellten Ole eine Erleichte-
rung gewährt, indem ihnen der Zoll für eine den
ausgeführten Erzeugnissen entsprechende Menge
der zur Mühle gebrachten zollpflichtigen ausländi-
schen Olfrüchte nachgelassen wird.
Zulässig ist auch die Stundung größerer Zoll-
gefälle gegen Sicherheitsleistung (Zollkredit).
Eine derartige Vergünstigung wird unter be-
Zollwesen.
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stimmten Verhältnissen namentlich Großkaufleuten
gewährt, weil sie den gesamten Zollverkehr erleich-
tert und vereinfacht. Die Reglung des Zollkredits
ist Sache der einzelnen Zollverwaltungen.
Die Verwaltung des Zollwesens, insbeson-
dere die Erhebung der Zölle, bleibt jedem Bundes-
staat überlassen, „soweit derselbe sie bisher (d. h.
zu Zeiten des Zollvereins) geübt hat“ (Reichsverf.
Art. 36). Die Verwaltung der indirekten Steuern
ist in der Hauptsache mit der Zollverwaltung ver-
bunden. Der Reichsverbrauchssteuergemeinschaft
nicht angeschlossen hinsichtlich des Biers sind
Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß-Loth-
ringen (bgl. Sp. 1352). Die bestehenden (15)
Zollverwaltungen sind: Preußen (einschließlich
Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck und Gebiets-
teile anderer Bundesstaaten), Bayern, Württem-
berg, Sachsen, Baden, Hessen, Mecklenburg (beide)h,
Thüringen (Großherzogtum Sachsen, die sächsi-
schen Herzogtümer, die beiden Reuß, beide Schwarz=
burg, preußische Gebietsteile), Oldenburg, Braun-
schweig, Anhalt, Hamburg, Bremen, Lübeck,
Elsaß-Lothringen. Die einzelnen Zoll= (bzw.
Steuer-)verwaltungen sind jedoch an eine gleich-
mäßige Behördeneinrichtung mit drei Instanzen
und gleichmäßiger Beamteninstruktion, ferner an
die Aufstellung einer uniformierten und bewaff-
neten Zollwache (Grenzwache) im Grenzbezirk usw.
gebunden. Die Landeszollverwaltung gliedert sich
in Zentralbehörden, die mit den Ministerien ver-
bunden sind, in Mittel= oder Direktivbehörden für
die Leitung des Dienstes, in Bezirks= und Lokal-
behörden für die Handhabung der Verwaltung
und Aufsicht. Die Bezirksbehörden sind die Haupt-
zollämter an den Reichsgrenzen und die Haupt-
steuerämter im Innern des Landes. Die Lokal-
behörden sind im Innern des Landes die Zoll= oder
Steuerämter, im Grenzbezirk die Nebenzollämter
I. und II. Klasse (ogl. Sp. 1350) und Ansagestellen.
Während alle diese Behörden in der Hauptsache
dem Verwaltungsdienst (Zollerhebung, Prüfung
der Deklaration, Revision usw.) dienen, ist der
militärisch organisierten Grenzwache der Be-
wachungsdienst (Anzeige von Defraudationen,
Verhütung von Schmuggel usw.) übertragen. Die
Zollverwaltung der Einzelstaaten unterliegt jedoch
der Kontrolle des Reichs. Der Kaiser ernennt nach
Vernehmung des Bundesratsausschusses für Zoll-
und Steuerwesen aus den Beamten der verschie-
denen Zollverwaltungen Kontrollbeamte, die ent-
weder als „Bevollmächtigte“ den Direktivbehörden
oder als „Stationskontrolleure“ den Unterbehör-
den beigeordnet werden. Die von diesen Beamten
über Mängel bei der Ausführung der gemeinschaft-
lichen Gesetzgebung gemachten Anzeigen werden
dem Bundesrat zur Beschlußfassung vorgelegt.
Der Ertrag der Zölle fließt in die Reichs-
kasse. Dieser Ertrag besteht aus den von den ge-
samten Zöllen aufgekommenen Einnahmen nach
Abzug der Erhebungs- und Verwaltungskosten,
welche an den gegen das Ausland gelegenen