Metadata: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

1379 
Ehrenzweikampf (Duell) ist folgendes vor Augen 
zu halten: Beim Ordalzweikampf ging nach dem 
Gesagten der Beschuldigte in fälschlichem Vertrauen 
auf Gott, der ihm den Sieg verschaffen werde, 
den Kampf mit seinem Ankläger ein; der Zwei- 
kampf fand innerhalb der gerichtlichen Schranken 
auf immerhin gesetzmäßige Weise statt und mit 
dem Kampf war die Sache noch nicht beendet, es 
wurde vielmehr durch ihn erst entschieden, wen die 
Strafe treffen solle, und diese dann vollzogen; der 
gerichtliche Zweikampf wurde endlich wohl ver- 
einzelt auch wegen einer Ehrenbeleidigung als zu- 
lässig erklärt, er fand jedoch im großen und ganzen 
wegen anderer Streitigkeiten statt. — Das Kampf- 
ordal erhielt sich seit den ersten Jahrzehnten des 
6. Jahrh., wo der Zweikampf als gerichtliches 
Beweismittel durch den Burgunderkönig Gundo- 
bald (la loi Gombette) zuerst gesetzlich festgelegt 
wurde, bis in das 15. Jahrh. Man entschuldigte 
ihn vielfach damit, daß die Beschuldigten, zum 
Beweis ihrer Unschuld zum Eid zugelassen, häufig 
der Versuchung unterlägen, einen Meineid zu 
leisten. Bei der Schwierigkeit, in damaliger Zeit 
einen Beweis vor Gericht zu führen, bei ihrer ur- 
wüchsigen Kampfeslust und naiv-religiösen Auf- 
fassung erklärt es sich, daß auch kirchliche Kreise 
von dem Vorurteil befangen waren. Bischöfe und 
Provinzialkonzile haben sich zugunsten des Kampf-= 
ordals ausgesprochen. Geläuterte Geister nahmen 
aber innerhalb der Kirche von jeher Stellung da- 
gegen. So sprach schon das Provinzialkonzil von 
Valence (855) eine entschiedene Verurteilung aus, 
und vor ihm lebte einer der wackersten Bekämpfer 
dieses „Gottesurteils“, Erzbischof Agobard von 
Lyon (7 840), der sich seinerseits auf Vorgänger, 
namentlich auf Avitus von Vienne (1 518), be- 
rief, so daß sich der kirchliche Widerstand gegen 
den gerichtlichen Zweikampf bis zur Zeit seines 
ersten Auftretens nachweisen läßt. In ihrer be- 
rufenen Vertretung hat sich die katholische Kirche 
niemals dafür ausgesprochen. Schon 867 ver- 
urteilte Papst Nikolaus I. dieses Ordal als „eine 
Versuchung Gottes“ und im Jahr 1215 erließ 
das vierte allgemeine Konzil im Lateran (Ka- 
non 18) ein Verbot, das es als Erneuerung eines 
früher ergangenen hinstellte. Den fortgesetzten 
Bemühungen der Kirche im Verein mit der christ- 
lichen Monarchie (besonders Verordnungen Lud- 
wigs des Heiligen in Frankreich) gelang die all- 
mähliche Beseitigung des Zweikampfs aus dem 
Gerichtsverfahren. 
5. Von den gerichtlichen kommen wir zu den 
Zweikämpfen, welche auf private Verabredung der 
Beteiligten hin noch heute stattfinden, zum Duell. 
Das Duell, oder wie es in dem Sprachgebrauch 
des heutigen Strafrechts einfach heißt, der Zwei- 
kampf ist ein im voraus vereinbarter, gewissen 
hergebrachten Regeln entsprechender Kampf mit 
tödlichen Waffen, den zwei Personen in der Ab- 
sicht unternehmen, eine zwischen ihnen vorgefallene 
Ehrenkränkung wiedergutzumachen. Es ist auf 
Zweikampf. 
  
1380 
den ersten Blick ersichtlich, daß ein Zweikampf, der 
zum Zweck, die Ehre wiederherzustellen, veran- 
staltet wird, aller Vernunft widerspricht und darum 
sittlich verwerflich ist. Die Ehre, gewiß eines der 
kostbarsten und auch für das praktische Leben not- 
wendigsten Güter, ist nichts anderes als die Gel- 
tung des einzelnen, die seiner menschlichen Würde 
und seiner besondern Stellung oder Tüchtigkeit 
entspricht, bei den Mitmenschen, die gute Meinung 
bei den andern und zunächst in dem Kreis, in dem 
jeder lebt. Wird sie durch einen erhobenen Vor- 
wurf beeinträchtigt, so kann sie nur dadurch 
wiederhergestellt werden, daß der Vorwurf ent- 
weder durch einen Widerruf von seiten des Urhe- 
bers oder durch eine Feststellung von maßgebender 
Seite, und zwar in dem Kreis, in dem er verbreitet 
wurde, widerlegt wird. Hat aber nur eine Herab- 
setzung oder Verunglimpfung ohne bestimmten 
Vorwurf stattgefunden, so kann sie durch Abbitte 
des Schuldigen oder durch seine Bestrafung und 
das Eintreten für die unverletzte Ehre des Be- 
leidigten von einer Seite, welche für den betreffen- 
den gesellschaftlichen Kreis maßgebend ist, auf- 
gehoben werden. Mit dem Gesagten ist, wie gleich 
bemerkt sei, die Bedeutung des Ausspruchs eines 
Ehrengerichts, dessen Mitglieder dem betreffenden 
Standes= oder Gesellschaftskreis entnommen wur- 
den, oder die einer gerichtlichen Bestrasung oder 
Feststellung in Ehrenstreiligkeiten klargelegt. Außer 
den bisher erwähnten kommen als Veranlassungen 
der Duelle noch die Verletzungen der sog. Familien- 
ehre in Betracht (Verführung, unziemliche An- 
näherung an ein weibliches Familienmitglied). 
Allein diese scheiden aus dem Begriff wirklicher 
Ehrenfragen aus, weil die Ehre, der gute Ruf, 
des davon indirekt Betroffenen gar nicht in Fraoge 
gestellt erscheint; da ein Duell auch sonst zur Lö- 
sung der heiklen Angelegenheit nicht das geringste 
beizutragen vermag, bedeutet es in solchem Fall 
nichts anderes als einen Ausfluß ohnmächtiger 
Rache über den Verlust eines besonders kostbaren 
Guts, der vom Standpunkt der Vernunft und des 
Sittengesetzes unbedingt abzulehnen ist. Alle diese 
Gründe gegen das Duell würden gelten, auch 
wenn es in jedem Fall sicher wäre, daß der Be- 
leidigte aus dem Waffengang als Sieger hervor- 
gehen und der Beleidiger unterliegen müsse; die 
Sitte ist aber noch widersinniger, weil der Aus- 
gang von der Rechisfrage ganz unabhängig ist 
und der größeren Geschicklichkeit, ja großenteils 
dem reinen Zufall überlassen bleibt. Folgerichtig 
wird beim Duell nach dem Ausgang des Kampfs 
nicht mehr gefragt und ist die Ehrenangelegenheit 
für die in Frage kommenden Gesellschaftskreise 
durch die Talsache eines bloßen Kugelwechsels oder 
Klingenkreuzens erledigt, mag auch der unschuldige 
Teil zu der erlittenen Ehrenkränkung noch eine 
Verwundung oder Argeres davon getragen haben. 
Man versucht darum, das Duell durch den Hin- 
weis zu rechtfertigen, daß der Beleidiger für sein 
Tun einzustehen und wenigstens seinen Mannes-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.