Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

1391 
im Heer gefordert wird. Indessen ist ein wichtiger 
Schritt von seiten der ersteren geschehen. 
9. Zur systematischen Bekämpfung des Duells 
wurde die Antiduell-Liga gegründet. Sie 
verdankt ihren Ursprung dem Infanten Don Al- 
fonso von Bourbon und Osterreich-Este. Im 
Sommer 1900 hatte das Vorgehen militärischer 
Ehrenräte in Osterreich gegen zwei Offiziere — 
Leutnant Marquis Tacoli, der es ablehnte, eine 
Ehrenaffäre mit der Waffe auszutragen, und 
Generalstabshauptmann Joseph Graf Ledöchowski, 
der wegen eines in jener Angelegenheit erteilten 
Rats in Untersuchung gezogen vor dem Ehren- 
rat seinen das Duell grundsätzlich ablehnenden 
Standpunkt bekundete — eine lebhafte Protest- 
bewegung entfacht. Sie ließ in dem Infanten den 
Plan reifen, eine Vereinigung der Duellgegner 
auf internationaler Grundlage ins Leben zu rufen. 
Wie er sich zum gleichen Zweck in andern Ländern 
an geeignete Persönlichkeiten wandte, ersuchte er 
den Fürsten Karl zu Löwenstein, die Leitung der 
Bewegung im Deutschen Reich zu übernehmen. 
Im Juli 1901 konnte eine Liste von 104 Mit- 
gliedern des deutschen Adels veröffentlicht werden, 
welche gegen das Duell offen Stellung nahmen; 
88 Juristen, 68 Arzte und 40 Professoren schlossen 
sich ihnen alsbald an. Nach einer Vorbesprechung 
am 22. Aug. 1901 in Frankfurt a. M. wurde zur 
Abhaltung einer größeren Antiduell-Konferenz 
am 19. Okt. 1901 in Leipzig geschritten. Hier 
wurde ein Aktionskomitee, zur Hälfte Protestanten 
und zur Hälfte Katholiken, mit dem Zusammen- 
schluß der deutschen Duellgegner betraut, und 
nachdem die Zahl der Zustimmungen zu der er- 
wähnten Erklärung das erste Tausend überschritten 
hatte, wurde die „Deutsche Antiduell-Liga“ am 
11. Jan. 1902 in einer Versammlung in Kassel 
gegründet. Zum Vorsitzenden wurde Fürst Karl 
zu Löwenstein und zu seinem Stellvertreter Graf 
Adalbert zu Erbach-Fürstenau gewählt; der letz- 
tere hat seit dem 1907 erfolgten Rücktritt des 
Fürsten tatsächlich und seit 1910 als erster Vor- 
sitzender die Leitung der Liga inne. Der unermüd- 
lichen Tätigkeit des Fürsten zu Löwenstein gelang 
die Gründung von Landes= und Ortsgruppen, 
deren die deutsche Liga, damit über das ganze 
Reich organisiert, derzeit (1911) 19 zählt. Die 
Geschäftsstelle der Deutschen Antiduell-Liga be- 
findet sich in Köln (Volksgartenstraße 21). In 
Osterreich trat die Bewegung am 6. Dez. 1901 
mit einem Aufruf an die Offentlichkeit, der die 
Unterschriften von über 300 der bedeutendsten und 
maßgebendsten Persönlichkeiten trug. Ein vorbe- 
reitender Ausschuß entwarf hierauf unter anderem 
nach einem Referat des späteren Justizministers 
Dr Klein die Grundzüge für die von der Liga zu 
bildenden besondern Ehrengerichte, welche auch den 
übrigen Ligen vielfach als Richtschnur dienten. 
Am 4. Dez. 1902 konstitnierte sich in Wien die 
„Allgemeine Antiduell-Liga für Osterreich“, der 
sich in der Folge mehrere, besonders akademische 
Zweikampf. 
  
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Zweigligen anschlossen. Weitere selbständige Anti- 
duell-Ligen wurden in Ungarn, Italien, Belgien, 
Galizien und Spanien gebildet, während es in 
Frankreich bei einer Komiteebildung verblieb. Alle 
diese Vereinigungen traten auf dem im Juni 1908 
in Budapest tagenden Ersten Internationalen Anti- 
duell--Kongreß und durch Gründung eines Zen- 
tralbureaus daselbst in engere Beziehungen. — 
Dank dieser Organisation hat die Bewegung gegen 
den Zweikampf stetig zugenommen. Die Anti- 
duell-Liga hat zahlreiche Mitglieder aus den 
Kreisen der Gebildeten um ihre Fahne geschart 
und als ersten Erfolg einen Wandel in den gesell- 
schaftlichen Anschauungen bewirkt, welcher das Be- 
kenntnis duellgegnerischer Gesinnung heute be- 
deutend erleichtert. Durch Versammlungen und 
Schriften wirkt sie auf die öffentliche Meinung, 
insbesondere veröffentlichten die deutsche und die 
österreichische Liga seit ihrer Gründung regelmäßig 
erscheinende „Mitteilungen“ und geben nun (seit 
1910) als deren Fortsetzung gemeinsam die in 
Wien (bei Braumüller) erscheinende Zeitschrift 
„Ehrenschutz“ heraus. Die von der Liga gebildeten 
Ehrengerichte, welche auf dem Grundsatz beruhen, 
daß mit Rücksicht auf ihre Zusammensetzung aus 
berufenen Standes- oder Gesellschaftsgenossen in 
ihren Aussprüchen die Gesellschaft ihr Urteil ab- 
gebe, haben manche Proben dieser Tätigkeit ab- 
gelegt. Das Bestreben der Vereinigungen ist zu- 
gleich auf die Verbesserung des staatlichen Ehren- 
schutzes, namentlich geeignetere Bestrafung der 
Delikte gegen die Ehre und staatliche Begründung 
oder wenigstens Anerkennung der Ehrengerichte, 
gerichtet. Zu diesem Zweck hat die Deutsche Anti- 
duell-Liga 1904 Anträge zur Verbesserung des 
gesetzlichen Ehrenschutzes von Sachkundigen aus- 
arbeiten und dem Reichssjustizamt überreichen 
lassen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Ein- 
schränkung und Beseitigung des Militärduells 
gewidmet. In Osterreich wurde den nichtaktiven 
Offizieren der Beitritt zur Liga von der Kriegs- 
verwaltung gestattet und kamen weiter (1908) 
unter Mitwirkung der Liga Verbesserungen des 
militärehrenrätlichen Verfahrens zustande, welche 
in Anlehnung an die oben erwähnten preußischen 
Bestimmungen die unblutige Beilegung der Ehren- 
konflikte zwischen Offizieren erleichtern, sich aber 
von dieser dadurch vorteilhaft unterscheiden, daß 
sie dank wirklicher Durchführung zu einer merk- 
lichen Verminderung der Offiziersduelle geführt 
haben. Auf weiteres Einschreiten der Liga wur- 
den (1911) diese Bestimmungen, wenn auch nicht 
in ganz befriedigender Weise, auf die Beilegung 
von Ehrenstreitigkeiten zwischen Militär= und 
Zivilpersonen ausgedehnt. Ein ähnlicher, sehr 
erfreulicher Erfolg wurde in Italien erzielt. Hier 
(1907) wie in Spanien (1906) haben die Mon- 
archen das Protektorat über die Antiduell-Liga 
in ihrem Land übernommen. In beiden Ländern 
stehen Entwürse über die gesetzliche Einführung 
von Ehrengerichten in Behandlung. Alles Nähere
	        
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