Nachträge.
Baden. Das Gesetz vom 31. Jan. 1910 betr.
Aufwandentschädigung der Landtagsabgeord-
neten bestimmt, daß die Abgeordneten der Ersten und
Zweiten Kammer, ausgenommen die Prinzen des
Großherzoglichen Hauses und die Häupter der stan-
desherrlichen Familien, eine Aufwandentschädigung
und freie Fahrt auf den badischen Staatsbahnen
für die Dauer der Ständeversammlung erhalten.
Die Aufwandentschädigung beträgt für die Dauer
eines ordentlichen Landtags für die Abgeordneten
der Ersten bzw. Zweiten Kammer 1500 bzw.
3000 Al, für die in Karlsruhe wohnenden Ab-
geordneten jedoch nur 1000 bzw. 2000 M. Für
jeden Tag, an dem ein Abgeordneter der Sitzung
fernbleibt, werden 15 M, den in Karlsruhe woh-
nenden Abgeordneten 10 KK in Abzug gebracht.
Das Gesetz vom 26. Sept. 1910 brachte eine
wesentliche Umgestaltung der Gemeinde= und
Städteordnung. Das neue Gesetz erweitert die
Zahl der Wahlberechtigten durch Wegfall oder
Einengung bisheriger Beschränkungen wesentlich.
Die einschneidendsten Anderungen sind durch die
Einführung der Sechstelung und der Verhältnis-
wahl gegeben. Die Wahlen zum Bürgerausschuß
erfolgten von jeher in drei Klassen. Bisher galt
für die Klasseneinteilung aber der Grundsatz der
Sechstelung der Steuerzahler nur in den Ge-
meinden von 500/1000 Seelen, in den Ge-
meinden von 1000/4000 Seelen bestand die Neun-
telung, in den Gemeinden über 4000 Seelen die
Zwölftelung. Seit der Neureglung umfaßt die
erste Klasse das erste Sechstel, die zweite die fol-
genden zwei Sechstel, die dritte die übrigen drei
Sechstel der Steuerzahler. Diese Anderung be-
dingt eine gewaltige Verschiebung in der sozialen
Struktur der einzelnen Klassen und damit auch in
der Mandatsverteilung. In allen Gemeinden
über 2000 Seelen wurde ferner der bisher herr-
schende Grundsatz der Mehrheitswahl verlassen und
durch die Verhältniswahl ersetzt, und zwar nach
dem System der streng gebundenen Listen. (In
Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern
wird wie bisher nach der einfachen Stimmen-
mehrheit gewählt.) Auch die Gemeinde= und
Stadträte werden vom Bürgerausschuß, in den
Gemeinden von 500/2000 Seelen von den Klassen
direkt, nach Proporz gewählt. Die Mandate der
einzelnen Klassen werden nach dem Verhällnis
der auf die einzelnen Listen entfallenden Stimmen
verteilt. Die Listen sind innerhalb der durch die
Vollzugsbestimmung im einzelnen bestimmten
Fristen vor der Wahl einzureichen und durch eine
bestimmte Zahl von Wählern der betreffenden
Klasse zu unterzeichnen, von denen einer als Ob-
mann für den Verkehr mit der Behörde fungiert.
Jede Streichung auf den Listen bei der Wahl hat
die Ungültigkeit des ganzen Wahlzettels zur Folge.
Eine Anderung in der Organisation der ober-
sten Staatsbehörden wurde 1911 vorgenom-
men. Die Eisenbahnen, diebisher dem Ministerium
des Großherzoglichen Hauses unterstanden, wurden
dem Finanzministerium unterstellt, für Kultus und
Unterricht wurde ein besonderes Ministerium ge-
schaffen, die Justiz wurde dem Ministerium des
Großherzoglichen Hauses und des Auswärtigen
überwiesen. Der Oberschulrat (oberste Behörde
für das Schulwesen) wurde aufgehoben, zur Be-
ratung in schultechnischen Fragen wurde ein Lan-
desschulrat mit einer Abteilung für höheres Unter-
richtswesen und einer solchen für Volksschulwesen
geschaffen.
Die Novelle vom 7. Juli 1910 brachte einige we-
sentliche Anderungen zum (Volks-) Schulgesetz.
Mitgliedern religiöser Orden oder ordensähnlicher
religtöser Kongregationen ist die Erteilung von
Unterricht an Lehranstalten mit Genehmigung der
Staatsregierung gestattet (bisher war sie ganz
untersagt, nur für einzelne Personen und stets
widerruflich waren Ausnahmen zulässig). Be-
stehen geblieben ist jedoch die Bestimmung, daß
kirchlichen Korporationen und Stiftungen die Er-
richtung von Lehr= und Erziehungsanstalten nur
auf Grund eines besondern Gesetzes gestattet ist.
Ein Zentrumsantrag, die Errichtung solcher An-
stalten von der staatlichen Genehmigung abhängig
zu machen, fand zwar die Zustimmung der Re-
gierung, scheiterte aber am Widerstand der Libe-
ralen und Sozialdemokraten (Großblock). Mil-
derungen traten insofern ein, als die Errichtung
von Kleinkinderschulen nicht mehr der Erlaubnis,