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eis non datur inra sua persequi, nisi apud iu-
dices laicos, tenentur singuli prius a proprüs
ipsorum Ordinariis veniam petere, ut clericos in
foro laicorum convenire possint; eamque Ordi-
narü nunquam negabunt, tum maxime cum ipsi
controverslis inter partes conciliandis frustra
operam dederint. Episcopos autem in id forum
convenire absque venia Sedis Apostolicae non
licet. Et si quis ausus fuerit trahere ad indicem
seu iudices laicos vel clericum sine venia Ordi-
narü#, vel episcopum sine venia S. Sedis, in
potestate eorundem Ordinariorum erit, in eum,
Praesertim si fuerit clericus, animadvertere
poenis et censuris ferendae sententiae uti viola-
torem privilegü fori, si id expedire in Domino
iudicaverint.
Es werden demnach, soweit nicht dem privi-
legium fori durch partikuläres Recht derogiert ist,
die Privatkläger verpflichtet, ehe sie in einer
Sache gegen einen Kleriker die weltlichen Gerichte
angehen, bei dem Ordinarius, also in der Regel
dem Bischof bzw. dem Papst die Erlaubnis ein-
zuholen. Objekt dieser Bestimmung sind natürlich
nicht die reinen Standes= und Amtsverhältnisse
der Kleriker, für welche, weil innerkirchliche An-
gelegenheit, auch nur das geistliche Gericht zu-
ständig ist. Aber auch die Anzeige bei Offizial=
delikten scheint auszuscheiden, weil diese unab-
hängig vom Willen des Verletzten vom Staat
verfolgt werden; denn die Instruktion spricht nur
bvon iura sua persequi controversüis inter
Partes conciliandis. Es dürften demnach nur
solche Prozesse in Betracht kommen, deren Ein-
leitung ausschließlich vom Willen des einzelnen
abhängt, also nur solche Fälle, in denen Katho-
liken gegen einen Kleriker beim weltlichen Gericht
einen Zivilprozeß anhängig machen oder in
Kriminalsachen bei Antragsdelikten den Straf-
antrag stellen oder sich bei Offizialdelikten mit
der Privatklage anschließen wollen (vgl. Triebs
in „Der Tag“ 1911, Nr 287, dessen sonstige
Ausführungen über das Motuproprio abwegig
sind). Die Erteilung der Erlaubnis wird den
Bischöfen zur strengen Pflicht gemacht (nunqguam
negabunt), sobald ihre eignen Sühneversuche er-
folglos bleiben oder sie dem Kläger nicht zu seinem
Recht verhelfen können. Die Anordnung dient in
erster Linie dazu, dem privilegium fori eine
prinzipielle Anerkennung seitens der katholischen
Laien zu sichern, und, um der Würde des geist-
lichen Standes willen, nach Möglichkeit Streitig-
keiten einzelner Kleriker der breiten Offentlichkeit
zu entziehen. Deshalb die Befugnis des Bischofs,
gegen andershandelnde Privatkläger, falls er es
für gut erachtet, mit kirchlichen Strasen vorzu-
gehen, zumal wenn es sich um Geistliche handelt,
die Amtsbrüder vor die Gerichte ziehen.
4. Diese Auslegung des Kapitels Cogentes
hat nun neuerdings auf Grund besonderer Vor-
kommnisse in romanischen Ländern, insbesondere
wohl in Frankreich, Pius X. in dem Motuproprio
Klerus.
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ob jenes Kapitel legislatores personaeque
publicae tantummodo, an etiam homines
Privati treffe, dahin entschieden:
duicumque privatorum, laici sacrive ordines,
mares feminaeve, personas quasvis ecclesiasti-
cas, sive in criminali causa sive in civili, nullo
potestatis ecclesiasticae permissu, ad tribunal
laicorum vocent, ibique adesse publice compel-
lant, eos etiam omnes in Excommunicationem
latae sententiae speciali modo Romano Pontifici
reservatam incurrere.
Vergleichen wir dies mit den bisherigen Aus-
führungen, so zeigt sich, daß der Erlaß Pius' X.
auf dem bisherigen gemeinrechtlichen Rechtszustand
aufbaut und ihn wiederum einschärft. Das privi-
legium fori wird von neuem prinzipiell fest-
gehalten, die bisherige Interpretation, daß Nichter
und Staatsanwälte nicht unter das Kapitel Co-
gentes fallen, gebilligt. Auch das ist nicht ge-
ändert, daß Privatpersonen, Geistliche oder Laien,
gegen Kleriker bei den weltlichen Gerichten Klagen
oder Anzeigen erstatten können, sofern sie vorher
die Erlaubnis ihres Ordinarius resp., falls sich
die Klage gegen einen Bischof richtet, des Papstes
eingeholt haben. Alles das wird nur von neuem
eingeschärft. Die einzige Neuerung, welche
der Erlaß gegenüber dem bisherigen gemeinen
Recht aufweist, ist folgende: Während bisher bei
schuldhafter Umgehung der Vorschrift (si quis
ausus fuerit trahere ad iudicem seu iudices
laicos sine venia . ) über den Privatkläger
vom Bischof kirchliche Strasen verhängt werden
konnten, aber nicht mußten, tritt nunmehr die
im Kapitel Cogentes vorgesehene Strafe, d. h.
die dem Papst specialiter reservierte Exkommuni-
kation ipso facto, mit der Erfüllung des
Tatbestands ein, ohne daß es erst eines besondern
Urteils des geistlichen Gerichts bedarf. Aller-
dings ist auch hier ein schuldhaftes Handeln er-
Worderlich. Ignorantia facti et iuris enischuldigt
wenigstens den Laienprivatkläger. Indessen wird
anders als bei der Instruktion von 1886 dem
Motuproprio gegenüber nicht so leicht die ex-
ceptio ignorantiae geltend gemacht werden
können.
5. Die bisherigen Ausführungen lassen sich
dahin zusammenfassen: Nach gemeinem kirchlichem
Recht, d. h. soweit nicht partikularrechtliche Aus-
nahmen geschaffen sind, besteht noch heute das
privilegium fori in vollem Umfang. Auf seine
Verletzung ist die Strase der ipso facto ein-
tretenden dem Papst speziell reservierten Exkom-
munikation gesetzt. Diese trifft
a) Gesetzgeber und Regierungsorgane, welche
durch Gesetze und Verordnungen den Laienrichter
zwingen, Kleriker vor das weltliche Gericht zu
ziehen,
b) Privatpersonen, und zwar Laien wie Kleriker,
die ohne jede kirchliche Erlaubnis Geistliche durch
Anzeige oder Klage zwingen, vor dem Laienrichter
Quantavis diligentia widerrufen und die Frage, zu erscheinen.