Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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eis non datur inra sua persequi, nisi apud iu- 
dices laicos, tenentur singuli prius a proprüs 
ipsorum Ordinariis veniam petere, ut clericos in 
foro laicorum convenire possint; eamque Ordi- 
narü nunquam negabunt, tum maxime cum ipsi 
controverslis inter partes conciliandis frustra 
operam dederint. Episcopos autem in id forum 
convenire absque venia Sedis Apostolicae non 
licet. Et si quis ausus fuerit trahere ad indicem 
seu iudices laicos vel clericum sine venia Ordi- 
narü#, vel episcopum sine venia S. Sedis, in 
potestate eorundem Ordinariorum erit, in eum, 
Praesertim si fuerit clericus, animadvertere 
poenis et censuris ferendae sententiae uti viola- 
torem privilegü fori, si id expedire in Domino 
iudicaverint. 
Es werden demnach, soweit nicht dem privi- 
legium fori durch partikuläres Recht derogiert ist, 
die Privatkläger verpflichtet, ehe sie in einer 
Sache gegen einen Kleriker die weltlichen Gerichte 
angehen, bei dem Ordinarius, also in der Regel 
dem Bischof bzw. dem Papst die Erlaubnis ein- 
zuholen. Objekt dieser Bestimmung sind natürlich 
nicht die reinen Standes= und Amtsverhältnisse 
der Kleriker, für welche, weil innerkirchliche An- 
gelegenheit, auch nur das geistliche Gericht zu- 
ständig ist. Aber auch die Anzeige bei Offizial= 
delikten scheint auszuscheiden, weil diese unab- 
hängig vom Willen des Verletzten vom Staat 
verfolgt werden; denn die Instruktion spricht nur 
bvon iura sua persequi controversüis inter 
Partes conciliandis. Es dürften demnach nur 
solche Prozesse in Betracht kommen, deren Ein- 
leitung ausschließlich vom Willen des einzelnen 
abhängt, also nur solche Fälle, in denen Katho- 
liken gegen einen Kleriker beim weltlichen Gericht 
einen Zivilprozeß anhängig machen oder in 
Kriminalsachen bei Antragsdelikten den Straf- 
antrag stellen oder sich bei Offizialdelikten mit 
der Privatklage anschließen wollen (vgl. Triebs 
in „Der Tag“ 1911, Nr 287, dessen sonstige 
Ausführungen über das Motuproprio abwegig 
sind). Die Erteilung der Erlaubnis wird den 
Bischöfen zur strengen Pflicht gemacht (nunqguam 
negabunt), sobald ihre eignen Sühneversuche er- 
folglos bleiben oder sie dem Kläger nicht zu seinem 
Recht verhelfen können. Die Anordnung dient in 
erster Linie dazu, dem privilegium fori eine 
prinzipielle Anerkennung seitens der katholischen 
Laien zu sichern, und, um der Würde des geist- 
lichen Standes willen, nach Möglichkeit Streitig- 
keiten einzelner Kleriker der breiten Offentlichkeit 
zu entziehen. Deshalb die Befugnis des Bischofs, 
gegen andershandelnde Privatkläger, falls er es 
für gut erachtet, mit kirchlichen Strasen vorzu- 
gehen, zumal wenn es sich um Geistliche handelt, 
die Amtsbrüder vor die Gerichte ziehen. 
4. Diese Auslegung des Kapitels Cogentes 
hat nun neuerdings auf Grund besonderer Vor- 
kommnisse in romanischen Ländern, insbesondere 
wohl in Frankreich, Pius X. in dem Motuproprio 
Klerus. 
  
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ob jenes Kapitel legislatores personaeque 
publicae tantummodo, an etiam homines 
Privati treffe, dahin entschieden: 
duicumque privatorum, laici sacrive ordines, 
mares feminaeve, personas quasvis ecclesiasti- 
cas, sive in criminali causa sive in civili, nullo 
potestatis ecclesiasticae permissu, ad tribunal 
laicorum vocent, ibique adesse publice compel- 
lant, eos etiam omnes in Excommunicationem 
latae sententiae speciali modo Romano Pontifici 
reservatam incurrere. 
Vergleichen wir dies mit den bisherigen Aus- 
führungen, so zeigt sich, daß der Erlaß Pius' X. 
auf dem bisherigen gemeinrechtlichen Rechtszustand 
aufbaut und ihn wiederum einschärft. Das privi- 
legium fori wird von neuem prinzipiell fest- 
gehalten, die bisherige Interpretation, daß Nichter 
und Staatsanwälte nicht unter das Kapitel Co- 
gentes fallen, gebilligt. Auch das ist nicht ge- 
ändert, daß Privatpersonen, Geistliche oder Laien, 
gegen Kleriker bei den weltlichen Gerichten Klagen 
oder Anzeigen erstatten können, sofern sie vorher 
die Erlaubnis ihres Ordinarius resp., falls sich 
die Klage gegen einen Bischof richtet, des Papstes 
eingeholt haben. Alles das wird nur von neuem 
eingeschärft. Die einzige Neuerung, welche 
der Erlaß gegenüber dem bisherigen gemeinen 
Recht aufweist, ist folgende: Während bisher bei 
schuldhafter Umgehung der Vorschrift (si quis 
ausus fuerit trahere ad iudicem seu iudices 
laicos sine venia . ) über den Privatkläger 
vom Bischof kirchliche Strasen verhängt werden 
konnten, aber nicht mußten, tritt nunmehr die 
im Kapitel Cogentes vorgesehene Strafe, d. h. 
die dem Papst specialiter reservierte Exkommuni- 
kation ipso facto, mit der Erfüllung des 
Tatbestands ein, ohne daß es erst eines besondern 
Urteils des geistlichen Gerichts bedarf. Aller- 
dings ist auch hier ein schuldhaftes Handeln er- 
Worderlich. Ignorantia facti et iuris enischuldigt 
wenigstens den Laienprivatkläger. Indessen wird 
anders als bei der Instruktion von 1886 dem 
Motuproprio gegenüber nicht so leicht die ex- 
ceptio ignorantiae geltend gemacht werden 
können. 
5. Die bisherigen Ausführungen lassen sich 
dahin zusammenfassen: Nach gemeinem kirchlichem 
Recht, d. h. soweit nicht partikularrechtliche Aus- 
nahmen geschaffen sind, besteht noch heute das 
privilegium fori in vollem Umfang. Auf seine 
Verletzung ist die Strase der ipso facto ein- 
tretenden dem Papst speziell reservierten Exkom- 
munikation gesetzt. Diese trifft 
a) Gesetzgeber und Regierungsorgane, welche 
durch Gesetze und Verordnungen den Laienrichter 
zwingen, Kleriker vor das weltliche Gericht zu 
ziehen, 
b) Privatpersonen, und zwar Laien wie Kleriker, 
die ohne jede kirchliche Erlaubnis Geistliche durch 
Anzeige oder Klage zwingen, vor dem Laienrichter 
Quantavis diligentia widerrufen und die Frage, zu erscheinen.
	        
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