Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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des Berechtigten nacheinander in Anspruch nehmen: 
der Ehegatte, die Kinder, der Vater, die Mutter, 
die Geschwister, wenn sie zur Zeit des Tods mit 
dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft 
lebten. Die Rente wird bei Wegfall der In- 
validität entzogen. Behufs Herbeiführung 
der Erwerbsfähigkeit kann die Anstalt ein Heil- 
verfahren einleiten. Die Zeit früheren Renten- 
bezugs wird bei neuem Bezug wie eine Krank- 
heitszeit angerechnet. Die Rente ruht neben einer 
reichsgesetzlichen Unfallrente, soweit beide den 7⅛.= 
fachen Grundbetrag der Invalidenrente, bei 
Witwen- und Witwerrenten den 3 ½ fachen, bei 
Waisenrenten den 3fachen Grundbetrag der In- 
validenrente des Ernährers übersteigen würden. 
Sie ruht ferner aus den gleichen Gründen wie die 
Unfallrente. Ausländer können abgefunden wer- 
den. Zu Unrecht abgelehnte, entzogene oder zu 
niedrig festgestellte Renten können neu festgestellt, 
überhobene Renten brauchen nicht eingezogen zu 
werden. Treffen mehrere Renten auf Grund der 
Invaliden= und Hinterbliebenenversicherung zu- 
sammen, so ruht von da ab die niedrigere. Fa- 
brik-, Seemanns= und ähnliche Kassen können ihre 
Leistungen gleicher Art höchstens um den Wert 
der reichsgesetzlichen Bezüge unter entsprechender 
Herabsetzung der Beiträge ermäßigen. 
Träger der Versicherung sind die Versiche- 
rungsanstalten und die Sonderanstalten. Die 
Versicherungsanstalten werden nach Be- 
stimmung der Landesregierungen mit Genehmi- 
gung des Bundesrats errichtet. Die Anstalt um- 
faßt alle in ihrem Bezirk Beschäftigten, soweit sie 
nicht Sonderanstalten angehören. Die Anstalts- 
bezirke können mit Genehmigung des Bundesrats 
geändert werden. Die innere Verfassung 
regelt der Ausschuß durch die Satzung, deren 
wesentlichen Inhalt das Gesetz vorschreibt. Wegen 
der Genehmigung gelten die Vorschriften für die 
Unfallversicherung. Die Organe der Anstalten 
sind der Vorstand und der Ausschuß. Der Vor- 
stand verwaltet die Anstalt nach Gesetz und 
Satung mit der Eigenschaft einer öffentlichen 
Behörde. Seine Geschäfte führen Berufsbeamte. 
Als nichtbeamtete Mitglieder gehören dem Vor- 
stand Vertreter der Arbeitgeber und Versicherten 
des Anstaltsbezirks an (ugl. oben Abschn. „Auf- 
bau der Wahlen"). Dem Ausschuß, be- 
stehend aus Vertretern der Arbeitgeber und Ver- 
sicherten, sind vorbehalten die Wahl der nicht- 
beamteten Vorstandsmitglieder, die Festsetzung 
des Voranschlags, Abnahme der Jahresrechnung 
und Anderung der Satzung. Der Voranschlag 
muß der Aussichtsbehörde vorgelegt werden, die 
ihn beanstandet, wenn er gegen Gesetz oder Satzung 
verstößt oder die Leistungsfähigkeit der Anstalt zur 
Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten gefährdet. 
Berücksichtigt der Ausschuß die Anstände nicht, 
so entscheidet der Beschlußsenat der Aussichts. 
behörde. Bei Erwerb, Veräußerung oder Be- 
lastung von Grundstücken über 1000 M Wert 
Sozialversicherung. 
  
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wird die Anstalt vom Vorstand und Ausschuß 
vertreten. Vom Vermögen der Anstalt muß 
mindestens ¼ in Anleihen des Reichs oder der 
Bundesstaaten angelegt werden. Für die Ver- 
mögensverwaltung gelten auch im übrigen im 
wesentlichen die Vorschriften für die Berufsge- 
nossenschaften. Anstalten des Reichs, der Staaten 
oder Gemeinden kann der Bundesrat als Sonder- 
anstalten zulassen. Ihre Leistungen müssen 
denen der Versicherungsanstalten mindestens gleich- 
wertig sein. An ihrer Verwaltung müssen die ge- 
heim gewählten Arbeitervertreter beteiligt sein. 
Für den reichsgesetzlichen Anspruch muß die bei 
andern Sonderanstalten und bei Versicherungs- 
anstalten zurückgelegte Beitragszeit angerechnet 
werden. Das Verfahren über die Ansprüche gegen 
die Sonderanstalten muß dem reichsgesetzlichen ent- 
sprechen. Die Sonderanstalten erhalten zu ihren 
reichsgesetzlichen Leistungen den Reichszuschuß. 
Statt der Beitragserhebung kann ein Bescheini- 
gungsverfahren eintreten. Die Seeberufsgenossen- 
schaft kann unter eigner Haftung für die bei ihren 
Mitgliedern Beschäftigten und für die Mit- 
glieder, die gleichzeitig der Unfall= und der In- 
validen= und Hinterbliebenenversicherung unter- 
liegen, eine Sonderanstalt einrichten. Sie be- 
steht bereits. Die Aufsicht über die Versiche- 
rungsanstalten führt das Reichsversicherungsamt, 
sofern nicht ein Landesversicherungsamt besteht, 
das eintritt, wenn die Anstalt über seinen Bezirk 
nicht hinausreicht. Für die Rentenauszah- 
lung durch die Post gelten im wesentlichen die 
Bestimmungen für die Unfallversicherung. Zur 
Aufbringung der Mittel leistet das Reich 
die oben erwähnten Zuschüsse, die Arbeitgeber und 
Versicherten Wochenbeiträge, die der Bundesrat 
erstmalig bis Ende des Jahrs 1920 und dann 
alle 10 Jahre festsetzt. Die Beiträge werden so 
bemessen, daß der Wert aller künftigen Beiträge 
und das Vermögen den Betrag decken, der nach 
der Wahrscheinlichkeitsberechnung mit Zins und 
Zinseszins erforderlich ist, um alle Aufwendungen 
der Versicherungsanstalten zu bestreiten. Zunächst 
werden als Wochenbeitrag nach den Lohnklassen 
ansteigend erhoben 16, 24, 32, 40, 48 Pf. 
Militärdienst und Krankheitszeiten werden regel- 
mäßig als Beitragswochen II. Lohnklasse angesetzt. 
Die Gemeinlast die alle Versicherungsanstalten 
gemeinsam tragen, bilden die Grundbeträge der 
Invaliden= und die Zuschüsse für Kinderrenten, die 
Anteile der Anstalten an den andern Renten, dem 
Witwengeld und der Waisenaussteuer, die Renten- 
steigerung aus Militärdienst- und Krankheits- 
wochen, die Rentenaufrundungen und die Ausgaben 
für Zusatzrenten. Alle übrigen Verpflichtungen trägt 
jede Anstalt für sich als Sonderlast. Mehrere 
Versicherungsanstalten können Rückversiche- 
rungsverbände zur gemeinsamen Tragung 
der Lasten der Invaliden= und Hinterbliebenen- 
versicherung vereinbaren. Für die Verbindlichkeiten 
der Anstalten haftet der Gemeindeverband, in
	        
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