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Das Volk der Spartaner zerfiel in drei
Stände: den der Spartiaten, die im Alleinbesitz
der politischen Rechte waren, den der zwar politisch
rechtlosen, aber persönlich freien, Ackerbau und
Handel treibenden Periöken, und den der völlig
rechtlosen Staatssklaven oder Heloten, die gegen
eine feste Abgabe von Getreide, Obst und Wein
an die Spartiaten den Grund und Boden bewirt-
schafteten. ·
Die freie athenische Bevölkerung gliederte
sich vor der Solonischen Gesetzgebung in drei
Stände: die Eupatriden (Adligen), die allein die
Beamten zu stellen hatten, die Geomoren oder
freien Bauern und die Demiurgen, d. h. die
Handel= und Gewerbetreibenden. Daneben gab
es dort eine große Zahl von freien, ansässigen
Fremden, sog. Metöken, und eine Masse von Skla-
ven. Solon verteilte im Jahr 594 v. Chr. die po-
litischen Rechte nach Maßgabe der Leistungen des
einzelnen dem Staat gegenüber. Danach zerfiel
die gesamte bürgerliche Bevölkerung Athens nach
ihren Vermögen in vier Klassen: Großgrundbe-
sitzer und Großkaufleute, deren Einkommen min-
destens 500 Scheffel Korn und ebensoviel Eimer
Wein oder Ol jährlich betrug oder diesem ent-
sprach. Die, deren Einkommen zwischen 300 und
500 betrug, zählten zu den Rittern. Zum dritten
Stand gehörten die Hufner oder Bauern, die Zeu-
giten, mit einem Einkommen zwischen 200 und
300 Scheffel bzw. Eimer. Der Rest gehörte zu
den Theten oder Tagelöhnern.
Die Bevölkerung Roms bestand ursprünglich
aus zwei Ständen: den Patriziern, etwa den
Eupatriden der Athener entsprechend; ihnen ge-
hörte zunächst aller Grund und Boden; sie allein
waren im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte. Auf
ihren Gütern saßen hörige Bauern (clientes), die
ihnen erbuntertänig waren. Allmählich wurden auch
diese Klienten minderberechtigte Bürger und bil-
deten so die zweite Klasse. Als dritte Klasse kam
hinzu die der persönlich freien, zunächst noch poli-
tisch rechtlosen Plebejer. Sie sind vielleicht die
Bewohner unterworfener Nachbargemeinden, ihre
Zahl scheint dann durch Einwanderung, Lösung
des Klientelverhältnisses und Freilassung von
Sklaven ständig zugenommen zu haben. Bald
setzten die Bestrebungen der Plebejer nach Hebung
der materiellen Not und Gleichberechtigung mit
den Patriziern ein. Sie erreichten diese poli-
tische und rechtliche Gleichstellung in langwierigen
Kämpfen bis zur Mitte des 4. Jahrh. v. Chr.
Als ader Roms Macht von Stufe zu Stufe stieg,
da vollzog sich auch eine Umgestaltung der Standes-
verhältnisse. Nunmehr hing die Zugehörigkeit zur
regierenden Gesellschaft, der Nobilität, und damit
zur politischen Partei der Optimaten, aus welcher
die Beamten und Senatoren hervorgingen, nicht
mehr vom Adel der Geburt ab, sondern war vor
allem bedingt durch einen ansehnlichen Vermögens-
stand; nicht mehr Patrizier und Plebejer standen
einander gegenüber, sondern Nobiles, d. h. Bürger
Stände.
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mit hohem Vermögen und Verwandtschaft im Be-
amtenadel, und Unbemittelte. Nur selten gelang
es einem solchen, einem homo novus, in die
regierenden Kreise einzudringen und so selbst der
Begründer einer neuen Familie der Nobilität zu
werden. Durch die Anhäufung der Reichtümer
infolge der siegreichen Kriege im Osten und mit
Karthago verschärfte sich die Kluft zwischen der an
Zahl geringen Klasse der Großgrundbesitzer und
Großkapitalisten und einem zahlreichen Prole-
tariat. Die Erstgenannten bewirtschafteten ihre
Güter nicht mit freien Bauern, sondern mit großen
Sklavenherden. Die maßlose Härte, mit der die
Sklaven behandelt wurden, führte bereits gegen
Ende der Republik zu einem gefährlichen Sklaven-
krieg, der mit Strömen von Blut erstickt wurde.
Auch während der Kaiserzeit war die römische Ge-
sellschaft kastenartig gegliedert und blieb es, bis
die Germanen das morsche Reich zertrümmerten.
III. Das Ständewesen des deufschen Mittel-
alters. Bei den Germanen war das Stände-
wesen nicht kastenartig abgeschlossen, es war be-
stimmt durch die Gegensätze der Rechtsfähigkeit und
der Rechtlosigkeit, der Freiheit und der Unfreiheit.
Wer aber unfrei ist, ist damit noch nicht rechtlos;
nur wer in Knechtschaft lebte, war zugleich unfrei
und rechtlos. So gab es bei den Germanen zwei,
oder wenn man will, drei Stände, nämlich den
Stand der Freien, den Stand der Unfreien
und den „Stand“ der Knechte. Die freie Be-
völkerung bildet rechtlich nur einen Stand, den
der Freien. Nach der Völkerwanderung ist bei
den meisten germanischen Stämmen ein Adel als
Geburtsstand vorhanden, der gegenüber den Ge-
meinfreien ein höheres Wergeld hat. — Der
Knecht (Schalk) galt nicht als Person, sondern
als eine dem Herrn gehörige Sache (vgl. darüber
d. Art. Hörigkeit). Eine Mittelstellung zwischen
Freien und Unfreien nahmen die Liten oder
Aldien ein (vgl. gleichfalls d. Art. Hörigkeit).
UÜber die Ehemöglichkeit zwischen den verschiedenen
Ständen s. d. Art. Ebenbürtigkeit.
In der fränkischen Zeit dienen als Maß-
stab der sozialen Unterschiede die Wergeldsätze, und
zwar nicht bloß für die einzelnen Stände, sondern
auch für die verschiedenen Nationalitäten. So galt
der Germane mehr als der Römer. — Die Franken
kennen nur die drei Klassen der Freien, der
Halbfreien und der Knechte, einen Adel
kennen sie nicht. Allmählich traten die bisherigen
Gegensätze zwischen Freiheit und Unfreiheit zurück,
und es bahnten sich neue ständische Gegensätze an.
Ein Teil der Freien hob sich über die gemeine
Freiheit empor und bildete eine Art von Amts-
und Dienstadel im Dienst des Königtums. In
diesen neuen Adel ist auch der alte Geschlechtsadel
der nichtfränkischen Stämme ganz oder teilweise
aufgegangen. Dazu kam ferner, daß allmählich
die Ansprüche, die der Landbau einerseits, der
Heeresdienst anderseits an den freien Mann stellten,
sich immer mehr steigerten. Dies um so mehr,