Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Das Volk der Spartaner zerfiel in drei 
Stände: den der Spartiaten, die im Alleinbesitz 
der politischen Rechte waren, den der zwar politisch 
rechtlosen, aber persönlich freien, Ackerbau und 
Handel treibenden Periöken, und den der völlig 
rechtlosen Staatssklaven oder Heloten, die gegen 
eine feste Abgabe von Getreide, Obst und Wein 
an die Spartiaten den Grund und Boden bewirt- 
schafteten. · 
Die freie athenische Bevölkerung gliederte 
sich vor der Solonischen Gesetzgebung in drei 
Stände: die Eupatriden (Adligen), die allein die 
Beamten zu stellen hatten, die Geomoren oder 
freien Bauern und die Demiurgen, d. h. die 
Handel= und Gewerbetreibenden. Daneben gab 
es dort eine große Zahl von freien, ansässigen 
Fremden, sog. Metöken, und eine Masse von Skla- 
ven. Solon verteilte im Jahr 594 v. Chr. die po- 
litischen Rechte nach Maßgabe der Leistungen des 
einzelnen dem Staat gegenüber. Danach zerfiel 
die gesamte bürgerliche Bevölkerung Athens nach 
ihren Vermögen in vier Klassen: Großgrundbe- 
sitzer und Großkaufleute, deren Einkommen min- 
destens 500 Scheffel Korn und ebensoviel Eimer 
Wein oder Ol jährlich betrug oder diesem ent- 
sprach. Die, deren Einkommen zwischen 300 und 
500 betrug, zählten zu den Rittern. Zum dritten 
Stand gehörten die Hufner oder Bauern, die Zeu- 
giten, mit einem Einkommen zwischen 200 und 
300 Scheffel bzw. Eimer. Der Rest gehörte zu 
den Theten oder Tagelöhnern. 
Die Bevölkerung Roms bestand ursprünglich 
aus zwei Ständen: den Patriziern, etwa den 
Eupatriden der Athener entsprechend; ihnen ge- 
hörte zunächst aller Grund und Boden; sie allein 
waren im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte. Auf 
ihren Gütern saßen hörige Bauern (clientes), die 
ihnen erbuntertänig waren. Allmählich wurden auch 
diese Klienten minderberechtigte Bürger und bil- 
deten so die zweite Klasse. Als dritte Klasse kam 
hinzu die der persönlich freien, zunächst noch poli- 
tisch rechtlosen Plebejer. Sie sind vielleicht die 
Bewohner unterworfener Nachbargemeinden, ihre 
Zahl scheint dann durch Einwanderung, Lösung 
des Klientelverhältnisses und Freilassung von 
Sklaven ständig zugenommen zu haben. Bald 
setzten die Bestrebungen der Plebejer nach Hebung 
der materiellen Not und Gleichberechtigung mit 
den Patriziern ein. Sie erreichten diese poli- 
tische und rechtliche Gleichstellung in langwierigen 
Kämpfen bis zur Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. 
Als ader Roms Macht von Stufe zu Stufe stieg, 
da vollzog sich auch eine Umgestaltung der Standes- 
verhältnisse. Nunmehr hing die Zugehörigkeit zur 
regierenden Gesellschaft, der Nobilität, und damit 
zur politischen Partei der Optimaten, aus welcher 
die Beamten und Senatoren hervorgingen, nicht 
mehr vom Adel der Geburt ab, sondern war vor 
allem bedingt durch einen ansehnlichen Vermögens- 
stand; nicht mehr Patrizier und Plebejer standen 
einander gegenüber, sondern Nobiles, d. h. Bürger 
Stände. 
  
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mit hohem Vermögen und Verwandtschaft im Be- 
amtenadel, und Unbemittelte. Nur selten gelang 
es einem solchen, einem homo novus, in die 
regierenden Kreise einzudringen und so selbst der 
Begründer einer neuen Familie der Nobilität zu 
werden. Durch die Anhäufung der Reichtümer 
infolge der siegreichen Kriege im Osten und mit 
Karthago verschärfte sich die Kluft zwischen der an 
Zahl geringen Klasse der Großgrundbesitzer und 
Großkapitalisten und einem zahlreichen Prole- 
tariat. Die Erstgenannten bewirtschafteten ihre 
Güter nicht mit freien Bauern, sondern mit großen 
Sklavenherden. Die maßlose Härte, mit der die 
Sklaven behandelt wurden, führte bereits gegen 
Ende der Republik zu einem gefährlichen Sklaven- 
krieg, der mit Strömen von Blut erstickt wurde. 
Auch während der Kaiserzeit war die römische Ge- 
sellschaft kastenartig gegliedert und blieb es, bis 
die Germanen das morsche Reich zertrümmerten. 
III. Das Ständewesen des deufschen Mittel- 
alters. Bei den Germanen war das Stände- 
wesen nicht kastenartig abgeschlossen, es war be- 
stimmt durch die Gegensätze der Rechtsfähigkeit und 
der Rechtlosigkeit, der Freiheit und der Unfreiheit. 
Wer aber unfrei ist, ist damit noch nicht rechtlos; 
nur wer in Knechtschaft lebte, war zugleich unfrei 
und rechtlos. So gab es bei den Germanen zwei, 
oder wenn man will, drei Stände, nämlich den 
Stand der Freien, den Stand der Unfreien 
und den „Stand“ der Knechte. Die freie Be- 
völkerung bildet rechtlich nur einen Stand, den 
der Freien. Nach der Völkerwanderung ist bei 
den meisten germanischen Stämmen ein Adel als 
Geburtsstand vorhanden, der gegenüber den Ge- 
meinfreien ein höheres Wergeld hat. — Der 
Knecht (Schalk) galt nicht als Person, sondern 
als eine dem Herrn gehörige Sache (vgl. darüber 
d. Art. Hörigkeit). Eine Mittelstellung zwischen 
Freien und Unfreien nahmen die Liten oder 
Aldien ein (vgl. gleichfalls d. Art. Hörigkeit). 
UÜber die Ehemöglichkeit zwischen den verschiedenen 
Ständen s. d. Art. Ebenbürtigkeit. 
In der fränkischen Zeit dienen als Maß- 
stab der sozialen Unterschiede die Wergeldsätze, und 
zwar nicht bloß für die einzelnen Stände, sondern 
auch für die verschiedenen Nationalitäten. So galt 
der Germane mehr als der Römer. — Die Franken 
kennen nur die drei Klassen der Freien, der 
Halbfreien und der Knechte, einen Adel 
kennen sie nicht. Allmählich traten die bisherigen 
Gegensätze zwischen Freiheit und Unfreiheit zurück, 
und es bahnten sich neue ständische Gegensätze an. 
Ein Teil der Freien hob sich über die gemeine 
Freiheit empor und bildete eine Art von Amts- 
und Dienstadel im Dienst des Königtums. In 
diesen neuen Adel ist auch der alte Geschlechtsadel 
der nichtfränkischen Stämme ganz oder teilweise 
aufgegangen. Dazu kam ferner, daß allmählich 
die Ansprüche, die der Landbau einerseits, der 
Heeresdienst anderseits an den freien Mann stellten, 
sich immer mehr steigerten. Dies um so mehr,
	        
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