gemeine Redensarten zu hören, wie: Endlich klare Verhältnisse! Es stellte
sich aber heraus, daß die Herren über die nächste Zukunft noch gänzlich im
unklaren waren; zum mindesten wußten viele nicht, wen sie sich als Nach-
folger Bethmann Hollwegs wünschen sollten. Die Oberste Heeresleitung
war meines Wissens der Personenfrage nicht ernstlich nähergetreten.
Einzelne Parlamentarier, wie Erzberger und Stresemann, arbeiteten für
Bülow, gegen den damals unüberwindliche Widerstände beim Kaiser
vorlagen. Der Interfraktionelle Ausschuß hatte keinen eigenen Kandidaten.
Hinter dem Sturz Herrn v. Bethmanns stand fabriges Denken und
fahriges Handeln. Man zeigte parlamentarischen Machtwillen, man klirrte
mit dem Säbel, führte die schwerste innerpolitische Krise herauf seit der
Gründung des Reiches und rechnete im Grunde darauf, daß von oben
schon ein Ausweg gefunden würde.
Ich habe noch in letzter Stunde mich bemüht, Stimmung gegen die
Friedensresolution zu machen, obgleich ich von zwei vergeblichen Ver-
suchen wußte, die bereits von Haeften und seinem Kreis ausgegangen
waren. Haeften hatte David beschworen, für die Vertagung der Frie-
densresolution zu arbeiten. Er hatte ihm beruhigende Versicherungen ge-
geben über die Haltung der Obersten Heeresleitung zum Verständigungs-
frieden und zur Zusammenarbeit mit Parlamentariern — Versicherungen,
die er nicht nur ehrlich meinte, sondern deren tatsächliche Grundlagen im
Hauptquartier gegeben waren. Er hatte ihn auf die Kriegslage hin-
gewiesen, besonders auf das schwere Ringen bei Luck. Jetzt sei es nicht an
der Zeit, Dokumente des Verzagens in die Offentlichkeit zu bringen. „Ihr
könnt dreist eure innere Krisis machen, aber nur kein Wort, das die mili-
tärische Kampfkraft schwächt. Wir müssen im gegenseitigen Einverständ-
nis auf den Herbstfrieden hinarbeiten. Gelingt das nicht — dann bleibt
immer noch die Friedensresolution.“
Aber Haeften hatte tauben Ohren gepredigt.
Ebensowenig gelang es, den Sozialdemokraten einen neuen Weg zu
zeigen, wie sie das Drogramm des Verständigungsfriedens wirksam in
die Offentlichkeit bringen konnten, ohne gleichzeitig den Eindruck deutscher
Mutlosigkeit zu vermitteln: Zwingt den Kanzler, endlich die Erklärung
über Belgien unzweideutig abzugeben. Auf diesen Nat erfolgte die über-
raschende Antwort: Dann bricht die wichtigste Errungenschaft in der par-
lamentarischen Geschichte Deutschlands, die neugewonnene Majorität aus-
einander; wenn wir das Zentrum halten wollen, dürfen wir die belgische
Frage nicht anrühren.
Ich traf den Abgeordneten Erzberger zufällig in der Stadt und richtete
die Frage an ihn: „Die Friedensresolution haben Sie gemacht in Ver-
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