Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

bindung mit Rom?“ Erzberger: „Nein.“ — „Dann in Verbindung mit 
Osterreich?“ Er antwortete so, daß man schließen konnte: Ja. Ich sagte: 
Gegen ihren Inhalt hätte ich nichts einzuwenden, aber Form und Zeit- 
punkt seien sehr schlecht gewählt. Die Antwort, die ich erhielt, war wahr- 
haft niederschmetternd: „Was wollen Sie, Hoheit — damit kriege ich auf 
dem Werhandlungswege Briey und Longwy.“ 
Was mich besonders in Erstaunen setzte, war die Tatsache, daß Erz- 
berger wie die meisten Politiker in Berlin sich gar kein genaues Bild 
von der wirklichen Kriegslage machte; weder die Kraftquellen noch auch 
die Schwächequellen der feindlichen Fronten schienen gebührend gewertet 
zu werden. 
Am 14. Juli erfährt man, daß der Ausweg Michaelis gefunden 
worden ist. Meiner Erinnerung nach war die Kanzlerschaft des preußischen 
Staatskommissars für Volksernährung in der Offentlichkeit nur von der 
„Täglichen Rundschau“ empfohlen worden. Die annexionistische Rechte 
bringt ihm vom ersten Tage an in der Presse Sympathien entgegen. 
Der Interfraktionelle Ausschuß ist — so hört man in den Blättern der 
Linken — von Mißtrauen und Erstaunen erfüllt, will aber Ruhe geben, 
wenn der neue Mann sich auf den Boden der NResolution stellt. Die Oberste 
Heeresleitung schöpft neue Hoffnung, die Resolution zu Fall zu bringen. 
Ich habe damals die Erfahrung gemacht, daß unsere politischen Macht- 
faktoren in einem gewissen Zustand der öffentlichen Erregung nicht mehr 
in der Lage sind, an eigenen wohldurchdachten und erprobten Einsichten 
festzuhalten, sondern sich hauptsächlich von Gefühlen des Argers, oder des 
Prestiges, oder der Schadenfreude leiten lassen. Das ist „sentimentale" 
Politik. 
Die Oberste Heeresleitung hatte sich — dank einer monatelangen Auf- 
klärung — zu dem Ziel eines Verständigungsfriedens hingetastet; hatte 
darüber hinaus den Gedanken aufgenommen, zur Steigerung unserer 
Kriegskraft Darlamentarier in die Regierung zu berufen. Jetzt ärgerte 
man sich mit ARecht über den „defaitistischen“ Ton, in den die Debatten 
des Interfraktionellen Ausschusses getaucht waren. Sofort trat der Ge- 
danke, Parlamentarier sollten in das Ministerium eintreten, in den Hinter- 
grund. Man sah nur das eine Ziel: wie kann man den Einfluß der Sozial- 
demokraten wieder ausschalten? 
Ebenso hatte die Reichstagsmajorität eine grundlegende Wahrheit ge- 
funden: wir helfen dem deutschen und schaden dem feindlichen Krieg, 
wenn wir Annexionen ablehnen und noch einmal in die Welt hinausrufen: 
Wir verteidigen nur unser Land. Der Grundgedanke trat aber bald zurück 
hinter den Kampf um die Formel, die zu einer Drestigefrage für die 
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