Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

„Unsere Feinde wollen den Krieg à outrance, und darum müssen wir auch 
den Krieg à outrance in unseren Willen aufnehmen. Die Forderung der 
Stunde heißt: Alle nationalen Kräfte auf das eine Ziel: Sieg im Ver- 
teidigungskampf, zusammenraffen usw.“ 
Diesen Vorschlag entschloß ich mich, Seiner Majestät zur Verfügung 
zu stellen. Ich schrieb ihm, daß „am Donnerstag die Schlacht geschlagen 
wird, die über den Sieg entscheidet". 
Die große Sitzung war am 19. Juli. Ich ging mit meinen beiden Schwä- 
gern, dem Großherzog von Mecklenburg und dem Herzog von Braun- 
schweig in den Reichstag. Der Herzog war nicht ohne Voreingenommen- 
heit, noch erfüllt von bitterem Verdruß über Bethmanns Entlassung und 
die Methoden, die angewandt worden waren, sie herbeizuführen. Ich aber 
bemühte mich, auf den neuen Mann Hoffnungen zu setzen. Er war immer- 
hin einer unserer besten Organisatoren, hatte in seinem Ressort Führer- 
eigenschaften bewiesen; seine Zivilcourage wurde auch von seinen Gegnern 
anerkannt. Schließlich glaubte ich, daß seine tiefe und echte Religiosität es 
ihm erleichtern würde, Kriegsziele abzustoßen, die die Rechte und die Ehre 
anderer Nationen verletzten. 
Da kam die berühmt gewordene Rede: „Wie ich sie auffasse“ die 
im Inland und Ausland den Eindruck der Schwäche und Unaufrichtigkeit 
zugleich hervorrief. Der Eindruck war falsch, aber unvermeidlich, und so 
ging die große politische Schlacht verloren. 
Die parlamentarische Kraftprobe wurde mit knapper Not vermieden. 
Wielleicht war das nicht einmal gut — denn die Führer der Ma- 
jorität sagten sofort eine Periode kontrollierenden Miß-= 
trauens an. 
Wo man hinhörte, war Enttäuschung, Resignation, Katzenjammer. Für 
die vorherrschende Stimmung war nichts so bezeichnend wie die allgemeine 
Suche nach dem Nachfolger, die sofort nach Michaelis' Rede einsegtzte. 
Ich sprach mit vielen Männern verschiedener Richtung und habe niemand 
gefunden, der an den Bestand des Ministeriums Michaelis glaubte. Pein- 
lich und überraschend wirkte auf mich die Frage, die hie und da auftauchte: 
ob ich denn nicht das Kanzleramt annehmen würde. Ich wehrte lachend 
ab — aber ich kann nicht leugnen, daß diese Fragen mich in eine Erregung 
versecten, über die ich selbst betroffen war. 
Ich glaube, die Erklärung hierfür geben zu können. Ich sah deutlich, daß 
wir bei dem jetzigen ziellosen Kurs rettungslos in einen neuen Winter- 
feldzug hineintrieben. Kommt es dazu, so verlieren wir die Massen, und 
1 VBgl. Georg Michaelis, Für Staat und Volk, Berlin 1922, S. 328. 
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