dann ist — auch in Deutschland — eine energische Fortführung des Krieges
nicht mehr möglich.
Muß es zu diesem vierten Kriegswinter kommen? Die Oberste Heeres-
leitung will den vierten Kriegswinter nicht, ebensowenig wie der Reichstag.
Auch die Mehrheit des englischen Volkes, vor die Wahl gestellt: Sieg
mit Amerikas Hilfe oder ehrenvoller Friede in diesem Jahr aus eigener
Kraft, würde den Frieden wählen. Aber wir dürfen nicht warten, bis
vielleicht in ein paar Monaten eine neue Regierungskrisis in Deutschland
eine gute Lösung bringt. Je näher und wirklicher die amerikanische Hilfe
wird, um so mehr befestigt sich die Stellung Lloyd Georges.
Ich war nach den mir gewordenen Informationen überzeugt, daß wir
den englischen Kriegswillen vor dem Winter erweichen müßten und könnten.
Unsere äußere und innere Situation war wahrhaft krank, aber es brauchten
nur bestimmte politische Schritte zu geschehen, um die Gesundung berbei-
zuführen. And ich mußte mir sagen, daß Geburt und Stellung es mir
vielleicht leichter als anderen machten, diese heilenden Handlungen durch-
zuseczen:
1. Wir müssen lockende Kriegsziele an das englische Volk heran-
bringen, so bald und so öffentlich wie nur möglich, darunter vor allem
die Erklärung über Belgien.
2. Aber wir müssen die würdelose Friedensbeflissenheit abstreifen, die
den Soldaten mit Recht so auf die Nerven geht.
Z. Wir müssen die versprochene Wahlrechtsreform beschleunigt durch-
führen und darüber hinaus Parlamentarier in die Regierung aufnehmen,
ganz besonders auch Sozialdemokraten, die verantwortlich an der Steige-
rung unserer Kriegskraft mitarbeiten müssen.
Ich habe diese Tage dazu benutzt, um in Gesprächen mit Dersönlich-
keiten verschiedenster politischer Richtung festzustellen, auf welche Reso-
nanz ein solches Programm rechnen konnte. Das Ergebnis schien mir eine
Verantwortung zuzuweisen, nach der ich nie verlangt hatte. Ich war über-
wältigt, welche überzeugende Kraft diesen einfachen Gedanken innewohnte.
Haeften war ermutigend: man könne die Oberste Heeresleitung gewinnen,
wenn man nur taktvoll vorginge und soldatische Gefühle schone. Links-
stehende Politiker schienen wie erlöst bei der Aussicht, daß man eine Brücke
zwischen der Majorität und Ludendorff schlagen könnte.
Ein Gespräch mit dem Abgeordneten David war mir bedeutsam.
David ist eigentlich eine feine Gelehrtennatur, ganz ohne die Borniert=
beit des engen Parteimannes. So hatte er frühzeitig eingesehen, wie wichtig
für die Erlangung eines ehrenvollen Friedens es sei, daß wir uns vor der
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