mit Fehrenbach verabredet, am nächsten Tag das Tempo zu forcieren und
womöglich den Sturz des Kanzlers herbeizuführen. Da fand ein parla-
mentarischer Bierabend im Reichskanzlerpalais statt, der sehr gemütlich
verlief, und am folgenden Morgen versagte sich Fehrenbach für die von
Haußmann betriebene Aktion mit der Begründung: „Er war doch gestern
so lieb mit uns.“ Haußmann selbst wurde von seinem Parteivorsitzenden
verwehrt, eine Rede mit der Aufforderung an den Kanzler zu schließen:
Entweder nach parlamentarischem Grundsatz die Vertrauensfrage zu stellen
oder nach unparlamentarischem System dem Kaiser zu melden, was vor-
gefallen sei, und daß das in ihn geseyzte Vertrauen eine Erschütterung er-
fahren habe.
Immerhin war das, was Haußmann schließlich sagen durfte, eigentlich
deutlich genug:
„Stellt sich ein Minoritätskanzler widerstrebend unter dem Vor-
behalt des Widerrufs auf den Boden dieser [Friedens-Mesolution, so
erscheint er dem Ausland gegenüber schwach und unaufrichtig, und die
Majorität, die sich dieses bieten läßt, bekommt den Stempel der Hilf-
losigkeit, und ihre Resolution ist entwertet.
„Anser Droblem ist, dem Ausland gegenüber gleichzeitig
maßvoll und stark zu erscheinen. Dazu wäre eigentlich ein
Kanzler nötig, der die Majoritätsgesinnung schon ver-
treten hat, als wir vor Daris standen; der könnte führen,
denn er wäre manchem von uns voraus gewesen. Ein solcher Kanzler
hätte die feste Basis des gefühlsmäßigen Vertrauens der Majorität.
Alle nervösen Vergewisserungsversuche, ob er nachmittags auf dem-
selben Standpunkt steht wie vormittags, wären ausgeschieden.
„Gerade unsere militärisch gute Situation ermöglicht es uns, dem Aus-
land gegenüber maßvoll in unseren Kriegszielen aufzutreten, ohne den
Eindruck der Schwäche zu machen. Die Deutung: Zeichen der Schwäche,
ist im Ausland nur dann möglich, wenn jemand, den es für einen Annexio-
nisten hält, plötzlich maßvoll in seinen Kriegszielen wird. Ich sage nicht,
daß der Kanzler ein Annexionist ist, aber auffällig ist, daß die rechts-
stehenden Harteien ihn immer wieder als ihren Mann begrüßen .. Die
Entente ist moralisch schwächer als wir, und das ist unsere große Sieges-
chance. Aber wir können diese Chance nur ausnußzen und den Zusammen-
bruch der feindlichen Moral nur durch politische Mittel herbeiführen,
wenn weithin sichtbar eine Einigkeit zwischen Regierung und Mehrheit
besteht. Wir brauchen einen Kanzler, der nicht nur humane Gesinnung
hat, sondern auch die suggestive Kraft, diese Gesinnung zum Aus-
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