Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

druck zu bringen. Denn da wir, wie Herr v. Kühlmann gestern richtig 
sagte, heute schon mit der öffentlichen Meinung in Verhandlung stehen, 
so wird die große Politik zu einer Kunst des Ausdrucks.“ 
Das akute Stadium der Krisis ging noch einmal vorüber. Am 24. August 
wurde mir berichtet: 
„Die eigentlich chronische Krisis, die nicht beigelegt werden kann, ent- 
springt aus dem allseitigen Gefühl: Dieser Mann hat sich und das An- 
sehen des Deutschen Reichs blamiert, und nichts, was er künftig tut, 
kann das Pertrauen in seine Geeignetheit bringen. Der Abgeordnete 
Junck rief: „Theobald, komme zurück!“ AUnd David sagte unter großer 
Heiterkeit: „Wenn man einen von uns vor sechs Wochen gefragt hätte, 
ob er Reichskanzler werden wolle, so hätte jeder in erfreulicher Beschei- 
denheit sich sehr besonnen. Wenn man aber hinzugesetzt hätte: sonst 
würde es Unterstaatssekretär Michaelis, dann hätte jeder gesagt:,Nun, 
dann will ich es auch einmal probieren!“ 
IV. Die Minderung der Kanzlerrechte 
Michaelis selbst fühlte sich dem Reichstag gegenüber völlig unsicher. Er 
hatte große Konzessionen gemacht, verschärfte Kontrolle zugelassen. Die 
Sozialdemokraten waren in dem Gefühl ihrer erstarkenden Position ein- 
verstanden, den Kanzler noch eine Weile im Amt zu lassen. 
24. August 1917. 
„Was wir gegenwärtig erleben — mein Chef stimmt mit mir darin 
überein — ist nicht Harlamentarisierung, sondern Arbeiter-und Soldaten- 
rat. Eine Zumutung, wie die an Michaelis gestellte und von ihm an- 
genommene, die Parteiführer bei der [Beantwortung der] Papstnote 
mitarbeiten zu lassen, hätte Asquith durch seinen Hausknecht beant- 
worten lassen. Solche Konzessionen sind unvermeidlich, wenn der Kanzler 
in einem Mißtrauensverhältnis zur Majorität steht .. Mein Cdhef, der 
in Kreuznach dringend riet, troh aller Skepsis to give hime a chanc, 
ist restlos meiner Meinung . Die Lösung ist darum so unbedingt not- 
wendig, weil die Majoritätsparteien zugeben, daß sie sich von einem Manne 
führen lassen würden, der ihr Vertrauen hat. Vorbedingung natürlich ist, 
daß die Arbeiter= und Soldatenratsitten sich nicht erst eingebürgert haben. 
„Das ganze Problem der Führerschaft ist in seiner furchtbaren Trag- 
weite aufgerollt, und man könnte das Heulen kriegen, daß es so aus- 
geht — bei dem Gedanken, daß unser Volk führerlos in den vierten 
Kriegswinter oder in einen faulen Frieden treiben soll.“ 
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