Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

schied sich für ihn gegen die Oberste Heeresleitung, die erneut Sicherungs- 
wünsche (Lüttich) anmeldete. 
Haußmann wollte sich nicht darüber beruhigen, daß die Friedensaktion 
des Vatikans auf das tote Gleis geschoben wurde. Könnte nicht noch ein 
Weg gefunden werden, daß nachträglich der Reichskanzler und der Staats- 
sekretär des Außeren in einer Rede dem Papst und Asquith die befriedigende 
Antwort erteilten? Er ging zu Kühlmann, vermochte ihn aber nicht zu über- 
zeugen. Nun wandte er sich an Haeften — er wußte, daß dieser vertraute 
Mitarbeiter Hudendorffs seit Wochen auf die öffentliche Erklärung über 
Belgien hinarbeitete und glaubte, damit im Sinne seines Chefs zu 
handeln. General Ludendorff hatte zwar am 9. August Michaelis nicht 
mehr sprechen können, um ihm die Zustimmung der Obersten Heeresleitung 
„. .. Die belgische Frage ist immer mehr in den Mittelpunkt des diplomatischen 
Interesses gerückt, so daß sie augenblicklich als die brennende Frage bezeichnet 
werden kann. 
.. Die Angelegenheit ist deshalb mit so wichtig, weil diese ganze eben geschilderte 
Gruppe nicht gewillt erscheint, sich für weitgehende französische Ziele in der elsaß- 
lothringischen Frage einzusetzen. Es ist vielmehr mit Bestimmtheit zu erwarten, daß, 
wenn erst die leitenden englischen Staatsmänner volle Sicherheit dafür haben, daß die 
spezifisch englischen Ziele (Freihaltung der belgischen Küste und Befreiung Belgiens 
im allgemeinen) sich ohne Winterfeldzug erreichen lassen, sie auf Frankreich im Sinne 
eines Verzichtes auf elsaß-lothringische Aspirationen drücken werden. Es wäre eine 
Umkehrung des Verfahrens, das die Entente augenblicklich mit Hilfe Österreichs 
gegen uns anwendet. 
Ein derartiger modus procedendi entspricht auch durchaus der Sachlage. Wir 
können nicht zu Ende kommen, wenn wir nicht in die Koalition unserer Gegner auf 
irgendeine Weise einen Keil treiben, genau wie die Entente versucht, zwischen uns 
und Österreich Keile zu treiben. Von Frankreich trennt uns ein Ozean von Haß. In 
der elsaß-lothringischen Frage nennenswerte Zugeständnisse zu machen, ist für ein 
nicht vollkommen geschlagenes Deutschland absolut undiskutierbar. Wir haben also 
Frankreich nichts zu bieten. Darin liegt auch die Schwäche des ganzen österreichischen 
bzw. Czerninschen Planes, daß sie hoffen oder glauben, Frankreich von England ab- 
ziehen zu können, da sie bei ruhiger #berlegung sich doch sagen müßten, daß sie selbst 
Frankreich nichts zu bieten haben, daß sie von Deutschland unter keinen Umständen 
so viel herauspressen können, um diesen Mangel einigermaßen auszugleichen, und 
daß Frankreich trotz der Intelligenz seiner Staatsmänner durch die Zeitverhältnisse 
vollkommen in den Händen Englands ist, so daß — selbst wenn der Plan möglich 
wäre — das für den Friedensgedanken gewonnene Frankreich absolut nicht in der 
Lage wäre, England seinen Willen aufzuzwingen, während umgekehrt ein englischer 
„Wunsch“, Frankreich möge seinen elsaß-lothringischen Traum in die Tasche stecken, 
in Paris, wenn auch zähneknirschend, als Befehl befolgt werden muß. 
Wollen wir nicht in der oben geschilderten, für unsere Interessen absolut verderb- 
lichen Weise in das Schlepptau der österreichisch-ungarischen Politik geraten, so 
müssen wir selbst eine gewisse diplomatische Aktivität entfalten, und zwar in der 
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