Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

zu einer etwaigen Erklärung über Belgien mitzuteilen, aber der Chef der 
Reichskanzlei, Unterstaatssekretär v. Grävenitz war ins Bild gesetzt wor- 
den. Ende August hatte Haeften in einer erneuten Unterredung mit Luden- 
dorff festgestellt, daß die Berabredung vom 9. August noch galt. Natür- 
lich mußte jeder Eingeweihte mit anderen Einflüssen rechnen, die geeignet 
waren, liebgewordene strategische Wünsche neu zu beleben. Wer den Ge- 
neral Ludendorff kannte, durfte nicht erwarten, daß er eine zäh behauptete 
Position kampflos preisgab im Augenblick, wo es sich darum handeln würde, 
die letzte und unwiderrufliche Entscheidung über die Zukunft Belgiens zu 
fällen. Stolze Menschen vollziehen ihre Bekehrung ungern in der Offent- 
lichkeit oder im Kreise ihrer amtlichen Gegenspieler. Für die Zwecke unserer 
Richtung, daß durch geeignete Sondierungen festgestellt wird, ob nach Ansicht der 
maßgebenden englischen Staatsmänner eine vollkommen eindeutige amtliche deutsche 
Erklärung über das zukünftige Schicksal Belgiens zu Friedensverhandlungen mit 
den Westmächten führen würde oder nicht. 
Diese Vorverhandlungen, die absolut geheim zu betreiben wären und betrieben 
werden könnten, haben nicht zur unbedingten Voraussehung eine Festlegung der 
deutschen maßgebenden Stellen auf ein endgültiges Aktionsprogramm in Belgien. 
Diese endgültige Festlegung müßte allerdings erfolgen unmittelbar, nachdem das 
Ergebnis dieser Sondierung vorliegt. Denn wenn die Sondierung ergibt, daß Eng- 
land unter solchen Umständen bereit ist, in Friedensverhandlungen einzutreten, so 
würde für die Beschlußfassung über das Zukunftsschicksal Belgiens damit ein neues 
und sehr gewichtiges Moment mit zu erwägen sein. 
In den Herbst und Winter hineinzugehen, ohne durch eine derartige Sondierung 
eine diplomatisch einwandfreie klare Lage geschaffen zu haben, ist für Deutschland 
nicht möglich. Ich halte es für tunlich, dem Ansturm der auf eine unzweideutige 
öffentliche Erklärung über Belgien drängenden Reichstagsmehrheit und friedens- 
freundliche Elemente in Deutschland die Stirne zu bieten, wenn die Regierung selbst 
in dieser Frage diplomatisch im Sinne einer raschen und vollkommen klaren Lösung 
tätig ist. Ebenso können wir dem Drängen Österreichs und dem Winken mit Separat- 
frieden sowie der Gefahr, im Schlepptau Österreichs von Konzession zu Konzession 
gezogen zu werden, nur entgehen, wenn wir selbst durch zielbewußte und energische 
diplomatische Tätigkeit die leider vielfach uns entglittene Führung in dem Bünd- 
nis wieder an uns nehmen. 
Der Antrag, der sich aus dem oben Gesagten mit zwingender Notwendigkeit er- 
gibt, lautet: Selbst wenn eine Entscheidung Üüber das künftige Schicksal Belgiens 
nicht sofort getroffen werden soll, wolle der Herr Reichskanzler nach Einvernehmen 
mit der Obersten Heeresleitung die Zustimmung Seiner Majestät des Kaisers ein- 
holen, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes auf diskreten aber sicheren 
Wegen sich darüber vergewissere, welches die Minimalforderungen der Westmächte 
in bezug auf Belgien sind, und ob eine vorläufig nur von Regierung zu Regierung 
vertraulich zu gebende, aber bindende Erklärung über die künftige Gestaltung der 
Dinge in Belgien die Eröffnung von Friedensverhandlungen unmittelbar zur Folge 
haben würde.“ 
144
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.