Am 21. September hatte General Ludendorff die folgende Unterredung
mit dem Chefredakteur des „Hamburger Fremdenblattes“:
„Als Militär müsse er sich klar darüber sein, wie künftig Deutschland
zu schützen ist. Er könne Deutschlands wichtigstes Industriegebiet nicht
der Gefahr aussetzen, daß seine wertvollen Anlagen wenige Stunden nach
Kriegsausbruch durch feindliche Luftgeschwader zerstört werden; diese
Gefahr bestehe, wenn die feindliche Basis so nahe wie in Belgien sein
könne. Daraus ergebe sich das Kriegsziel. Aber, so fuhr Ludendorff mit
sehr starker Betonung jedes einzelnen Wortes fort, entscheiden müsse die
Kriegslage darüber, ob das Ziel zu erreichen sei. Wenn, was bisher nicht
der Fall, von der fe indlichen Seite irgend etwas komme, was Geneigtheit,
über den Frieden loyal zu verhandeln, vermuten lasse, dann, aber erst
dann, sei es an der Zeit, sich darüber zu entscheiden, ob man um jener
Ziele willen weiterkämpfen solle und müsse.“!
„Aus der ganzen Art Ludendorffs war nicht der Schluß zu ziehen,
daß er der Meinung sei, es dürften die Waffen unter keinen Umständen
vor der Erlangung von Annexionen niedergelegt werden.“?
Durch dieses Interview finde ich meine Auffassung bestätigt. Ich möchte
sie dahin zusammenfassen: Die Oberste Heeresleitung war sturmreif für einen
Vorstoß des Staatsmannes, unternommen mit dem Ziel, die öffentliche
Erklärung über Belgien herbeizuführen. Dieser Vorstoß ist nicht gemacht
worden.
VI. Ausgang der Kanzlerkrisis
Im Laufe des Oktober erhielt ich die Nachricht: Auch General Luden-
dorff sieht voraus, daß Michaelis nicht zu halten ist. Hahn wird von Haeften
nach Kreuznach bestellt, um den General aufzuklären über die Mobilisierung
der amerikanischen Hilfsquellen, über die seelische Grundlage der ameri-
kanischen Kraftanstrengung, über die Aussichten von Lloyd Georges Plan,
den Krieg über den Winter hinaus zu retten.
Hahns Ausführungen gipfelten darin: Die amerikanische Kriegsmaschine
kommt unaufhaltsam in Gang, wenn nicht durch Systemwechsel in Deutsch-
land die Parole: „Demokratie gegen Autokratie“ zerbricht.
In diesem Augenblick unterbricht Haeften: Die demokratische Idee der
Entente mag AUnsinn sein, Exzellenz — der ganze amerikanische Idealismus
1 Von mir gesperrt.
2 Ludendorff, Urkunden, S. 445ff.
Soeben hatte Wilson sein Land auf Frankreichs Kriegsziel: Elsaß-Lothringen
verpflichtet.
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