Nach Rußland vermittelte meine Cousine, die Königin von Schweden,
meine Korrespondenz. Sie hat dabei meinen Beschwerden immer beson-
deren Nachdruck verliehen; litt sie doch unsagbar unter jedem Anglück, das
die deutsche Heimat und deutsche Menschen betraf.
Ich unterhielt einen regen Briefwechsel mit der Kronprinzessin von
Schweden, der klugen und warmherzigen Tochter des Herzogs von Con-
naught, Enkelin des Drinzen Friedrich Karl von Preußen. In vorbildlich
neutraler Gesinnung hat sie sich ununterbrochen um deutsche und englische
Gefangene bemüht. Diese edle Fürstin ist leider zu früh gestorben. Sie hat
in ihrer neuen wie ihrer alten Heimat Liebe und Verehrung in reichem
Maße gefunden.
Schweizer Menschenfreunde wurden mir eine große Hilfe. Sie waren
unermüdlich tätig, deutsche Wünsche nach Frankreich und französische nach
Deutschland zu vermitteln.
Die Bemühungen um Einzelschicksale wurden bis zum Oktober 1918
von mir fortgeführt. Sie haben zuweilen eine erdrückende Arbeitslast auf-
gehäuft. Daneben mußte ich mich mit den Grundfragen der Gefangenen-
politik auseinandersetzen: Repressalien — Austauschverfahren seelische
und körperliche Gesundheit der Gefangenen.
Ich kam gleich zu Beginn meiner Tätigkeit mit DProfessor Partsch in
nahe Berührung, dem Leiter der badischen Gefangenenfürsorge. Der be-
deutende Rechtslehrer hat seinen eigenen Platz in der Geschichte der deut-
schen Wissenschaft: nach dem Kriege wurde er einer der Vorkämpfer für
Deutschlands Recht. In der Erinnerung von Tausenden aber wird er als
großer Pbilanthrop fortleben. Er hatte eine Kraft, die seinen Freunden
unerschöpflich schien, bis zu seinem jähen Tode am 30. März 1925. Er starb,
noch nicht fünfzigjährig, als Opfer des Krieges und seiner Menschenliebe,
die keine Schonung für sich selbst kannte. Ich werde nie vergessen, wie
scheinbar unüberwindliche Hindernisse vor seinem fortreißenden Tempera=
ment einfach zerbröckelten. Er hatte eine Art, zu sagen: „Das ist unrecht,
oder sinnlos,“ der gegenüber die Kriegspsychose und die ihr entstammenden
Vorurteile sich nicht halten konnten.
Partsch konnte meine Hilfe den Behörden gegenüber gut gebrauchen;
bei den öffentlichen Werbungen vermochte ihm mein Name beschämend
viel zu nützen.
1 Drofessor Partsch und ich verbreiteten einen Aufruf für Sammlung eines Fonds
zur Unterstützung von Badenern, die sich in Gefangenschaft befanden, oder aus ihr
in die Heimat zurückkehrten. Diese „Prinz-Max-Fonds“" genannte Sammlung ergab
eine sehr ansehnliche Summe, dank der Freigebigkeit vieler Badener, besonders der
Industrie des ganzen Landes.
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