land scheuen. Das wäre ein falscher und trügerischer Burgfriede, wollte
man die auch im Kriege unvermeidlichen Auseinandersetzungen zwischen
den entgegengesetzten Weltanschauungen abdämpfen und in die Heimlich-
keit verbannen. Der echte Burgfriede aber fordert, daß Menschen nicht
miteinander rechten in einem verachtenden und verhetzenden Geiste. Wir
wissen, meine Herren, daß das mit gutem Willen durchgeführt werden
kann. Als am 1. August 1914 unser Kaiser das befreiende Wort sprechen
konnte: „Ich kenne keine Darteien, ich kenne nur Deutsche“, da war un-
streitig ein Höhepunkt deutscher Geschichte erreicht. Hinter uns lag jahr-
zehntelanges Elend der Verhetzung. Mit tiefem Schmerz haben wir
das gleiche Schauspiel jetzt wieder erleben müssen, daß Deutsche sich mit
denselben Waffen bekämpft haben wie vor dem Kriege. Aber die Er-
innerung an das große, befreiende Gemeinschaftsgefühl der ersten Kriegs-
monate fordert uns heute mit aller Eindringlichkeit auf, das Kaiserwort
zu erneuern und es so zu fassen, wie es verstanden sein will: Wohl gibt
es Darteien, aber es sind alles Deutsche.
„Meine Herren! Ich komme zum Schluß. Eine furchtbare Verantwor-
tung ruht heute auf denen, die die Geschicke der Völker zu lenken haben.
An dieser Last haben alle mitzutragen, die daheim mit wachen Sinnen
und brennenden Herzen den Krieg miterleben. #berall horchen heute die
heilenden Kräfte aufeinander hin, überall wird man des Moratoriums
der Bergpredigt müde. Die Menschheit sehnt sich nach seiner Kün-
digung, noch ehe der Krieg endet. Der eben verstorbene Christ, Sir Wil-
liam Byles, der diese furchtbaren Worte von dem Moratorium der Berg-
predigt, d. h. der Außerkraftseczung sprach, dachte dabei nicht an die un-
vermeidlichen Schrecken, die auf dem Schlachtfelde geschehen, sondern
an die heidnische Sinnesart, zu der sich so viele geistig hervorragende
Männer aller Länder während des Krieges fast mit Stolz bekannten.
„Es ist nötig, daß noch während des Krieges eine Abkehr von dieser
Kriegsverrohung stattfindet. Auch hier kann uns der beste Geist der
Armee Führer sein. Für einen christlichen Soldaten gehört der Geist
des Roten Kreuzes zum Heere gerade wie der Offensivgeist. Für ihn ver-
leczt derjenige, der nicht alles zur Vernichtung des kämpfenden Feindes
einsetzt, ebenso seine Hflicht wie derjenige, der einen wehrlosen Feind
nicht schont. Ahnliche Stimmen kommen heute aus England, die be-
richten, wie englische Geistliche von der kämpfenden Truppe die Achtung
vor dem Feinde gelernt haben, welche die Diktatur der Hetzpresse in
der Heimat nicht duldet. Aus dieser Gesinnung heraus kam auch das
1 In der Unterhaussitzung vom 26. Mai 1916.
Prinz Max von Baden 12 177