aber vom Wehen des Geistes etwas merkt, der fühlt, daß der Jahresschluß, der
uns den Anfang des Weltfriedens ahnen läßt, auch eine gewisse Klärung der deut-
schen Innerlichkeit mit sich bringt.“
Neben dieser verständnisvollen Zustimmung wurde mir auch eine freund-
liche Billigung entgegengebracht, gegen die ich mich wehren mußte: jedes
Wort wurde darin aus dem Zusammenhang meiner Nede herausgeholt
und unterstrichen, das „pazifistisch“ klang.
Drinz Alexander Hohenlohe übersandte mir einen von ihm verfaßten
Artikel aus der „Neuen Züricher Zeitung“! und mit besonders empfehlen-
den Worten auch die „Basler Nationalzeitung“, die einen Gegensatz
zwischen dem deutschen Norden und Süden, zwischen Hohenzollern und
Zähringern, zwischen dem Kronprinzen und mir konstruierte. Graf Hertling
erhielt eine Rüge, weil er über die Kriegsentstehung gesagt hatte: Deutsch-
lands Gewissen wäre rein, bei der Besprechung meiner Rede aber wurde
unterschlagen, daß ich gegen die Schuldlüge der Feinde noch viel schärfer
vorgestoßen war als der Reichskanzler.
JDrinz Alexander Hohenlohe war ein Freund des Friedens, der in
der Schweiz lebte und wirkte. Seine Vaterlandsliebe darf nicht ange-
zweifelt werden, aber er gehörte zu jenen deutschen Pazifisten, die, ohne
es zu wollen, der Suggestion des neutralen Auslandes erlagen. Der Kreis
dieser Männer war bunt zusammengesetzt. Da war ein Präzeptor Ger-
maniae, ein Schulmeister großen Formats, der es für die Seele des mate-
rialistischen Deutschland nötig fand, daß der Krieg nicht zu glücklich aus-
ging. Da waren Männer, die von der Milch der frommen Denkart be-
rauscht waren und bei dem Wort,, Humanity“ oder, Humanitée“ Tränen
der Rührung in die Augen bekamen. Sie wollten Frieden um jeden Preis.
Schien die Entente unbesiegbar und unerbittlich, nun, so mußte Deutsch-
land um so mehr gedrängt werden, nachzugeben. Da war ein einst
energischer Vertreter der Rüstungsindustrie, der Pazifist geworden war
und sich — so schien es — nun dadurch entsühnen wollte, daß er eine ein-
gebildete oder sinnlos vergrößerte Schuld Deutschlands öffentlich bekannte.
Mit diesem Kreis traten nun frühzeitig die Sendboten Wilsons in
nahe Berührung: Agenten und auch ehrliche Jünger, die wie Herron nicht
nur für den guten Willen des Dropheten mit ihrer Ehre zu haften bereit
waren, sondern auch für seine Macht, sich durchzusetzen. Es waren auch
nüchterne Beobachter der internationalen Situation unter diesen deut-
schen DHazifisten, aber im allgemeinen ließ sich von ihnen sagen, daß sie
den Splitter bei uns und nicht den Balken bei den anderen sahen.
1 „Ein rechtes Wort zur rechten Zeit“ vom 29. Dezember 1917.
: „Gute Worte aus Karlsruhe“ vom 18. Dezember 1917.
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