Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

hätten, sondern nach wie vor ein hartnäckiges Schweigen über ihre 
Kriegsziele bewahrten. 
Was der Führer der Opposition am 27. Juli 1917,1 Lord Lansdowne 
am 29. November 1917 getan, wiederholt jetzt der leitende Staatsmann. 
Er fragt uns öffentlich: Was habt ihr mit Belgien vor? „Was bedeuten 
all die Außerungen von deutscher und österreichischer Seite über Belgiens 
Wiederherstellung? Soll es heißen, daß Belgien so frei werde wie die 
deutsche oder irgendeine andere Nation, oder seien Einschränkungen be- 
absichtigt, die Belgiens Stellung zu einer Art von Abhängigkeit herab- 
drücken würden?“ 
Aber Elsaß-Lothringen sagt er: „Wir beabsichtigen, an der Seite der 
französischen Diplomatie bis zum Tode zu stehen bei der Forderung, 
welche sie erhebt, daß das große Unrecht von 1871, als ohne jede Rück- 
sicht auf die Wünsche der Bevölkerung zwei französische Hrovinzen von 
Frankreichs Seite gerissen und dem Deutschen Reiche einverleibt wur- 
den, erneut in Erwägung (reconsideration) gezogen werde."“ 
Auch in allen anderen Streitfragen forderte er entsprechend dem 
russischen Drogramm, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker 
entscheidend zur Geltung komme. 
Rußland redete er im Tone des zugleich schmollenden und groß- 
mütigen Verbündeten zu: Deutschland habe sicher nicht im Sinn, eine 
der jetzt besetzten Provinzen oder Städte Rußlands zurückzugeben. 
„Die heute in Rußland Regierenden führen Verhandlungen mit dem 
gemeinsamen Feind über einen Sonderfrieden. Ich mache keine scharfen 
Vorwürfe, ich konstatiere nur die Tatsache, um anzudeuten, daß Eng- 
land nicht verantwortlich gemacht werden kann für Dinge, die ohne sein 
Wissen gescheben sind.“ 
Selbst für die deutschen Kolonien forderte Lloyd George nach russischem 
Vorbild, daß die Wünsche der Bevölkerung berücksichtigt würden. Die 
Treue unserer Kolonialtruppen hätte keine besondere Beweiskraft; sie 
wäre überdies nur für Ostafrika bewiesen, und auch dort nur für die 
Askaris, eine planmäßig bevorzugte Kriegerkaste. 
Zum Schluß das Bekenntnis zum pazifistischen Ideal, ganz getaucht 
in den Wortschatz der liberalen Idealisten: Heiligkeit der Verträge, zu- 
nehmendes Übel der militärischen Dienstpflicht — große Kriegsvorbe- 
reitungen ein Anglück für unsere Kultur, Einsetzung einer internationalen 
Körperschaft, um die Lasten der Bewaffnung zu vermindern und die 
Aussichten auf Krieg zu verkleinern. 
1 S. oben S. 132. 
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