Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

selbst in Brest--Litowsk. Sofort hörte der Verbrüderungsunsinn auf, leider 
nicht auf unsere, sondern auf russische Initiative. 
Kühlmann klagt in seiner Reichstagsrede vom 25. Januar 1918 dar- 
über, daß der „freundschaftliche Verkehr“ außerhalb der Sitzungen auf- 
gehört hätte: „Es war wie Tag und Nacht, die gemeinsamen Mahlzeiten 
wurden nicht wieder aufgenommen, die russischen Herren hielten sich 
hermetisch in ihren Häusern abgeschlossen, keine private Aussprache wurde 
zugelassen." 
Vom ersten Augenblick an machte Trogki es deutlich, daß nun das 
Schwergewicht der russischen Offensive uns treffen sollte. Deutschland, 
England, Frankreich, wir waren alle seine Feinde, und kluger Feldherr, 
der er war, wollte er dort angreifen, wo er die schwächste Stelle vermutete: 
seine deutschen Freunde hatten ihn über die bevorstehenden Januarstreiks 
informiert und offenbar übertriebene Hoffnungen erweckt. Darum galt 
es, um jeden Preis die deutsche Regierung zu diskreditieren und den Ver- 
ständigungsfrieden zu sabotieren, der ihre Position gestärkt hätte. Er höhnte 
und stichelte unsere Vertreter, ja er mißhandelte sie förmlich. Seine Heraus- 
forderungen erreichten schon am 12. Januar den Höhepunkt: Es sei falsch, 
so sagte er, Rußlands Weltstellung nach seiner gegenwärtigen Ohnmacht 
zu bemessen, ebensowenig wie man Deutschlands wirtschaftliche Kraft nach 
seiner jetzigen Ernährungslage beurteilen dürfe. 
General Hoffmann beschwerte sich über die aufreizenden Funksprüche 
und Flugblätter, die Revolution und Bürgerkrieg in unserem eigenen 
Lande entfesseln sollten. Kühlmann verwies demgegenüber auf Deutsch- 
lands feststehenden Grundsag, sich nicht in die innerrussischen Verhältnisse 
einzumischen. Trotzki verspottete ihn aber nur ob dieses Verzichts auf die 
moralische Offensive. Er würde es als einen Schritt vorwärts anerkennen, 
wemn sich die deutsche Regierung frei und offenherzig bezüglich der inneren 
Verhältnisse Rußlands ausspräche. 
Leider nahmen wir diese Herausforderung nicht an. 
Diplomatisch war dagegen alles klug und richtig, was Kühlmann tat: 
wie er Trotki dazu brachte, die Abgesandten der ukrainischen Zentralrada 
anzuerkennen, und zwar nicht nur als Anterabteilung der russischen Dele- 
gation, sondern als Vertretung eines selbständigen Staates; wie er da- 
durch DTrotzki sein Spiel verdarb, als dieser plötzlich eine neue ukrainische 
Delegation von lokalen Bolschewisten aufmarschieren ließ; wie er am 
9. Februar überraschend mitten in das Trotzkische Theater mit der Reali- 
1 über den Umfang der russischen revolutionären Propaganda in Deutschland 
vgl. Miliukow, a. a. O., S. 153 ff. 
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