herzlos verwaltet. Es wird mir schwer, dieses auszusprechen in Erinnerung
an die Amerikaner, mit denen ich in Deutschland zusammenarbeitete.
Ich habe an das Gewissen der Großfürstin Konstantint appelliert, so stark
und zornig ich es vermochte. Sie hat meinen Onkel, den HPrinzen Alexander
von Oldenburg, zu Hilfe gerufen, der an der Spitze des Hygienewesens
in Rußland stand. Er unternahm eine Inspektionsreise, und ihm ist be-
sonders dafür zu danken, daß deutsche von Skorbut befallene Gefangene
in ein warmes Klima transportiert wurden.
Das entscheidende Verdienst an der Auflösung der Hölle im Murman-
gebiet gebührt meines Wissens der Tochter des schwedischen Gesandten in
Detersburg, Fräulein Elsa Brändström. Sie gehört zu den großen Frauen
unserer Epoche. Nur weibliche Kraft und Güte konnte unternehmen und voll-
bringen, was ihr gelang. Sie wurde mit Recht der gute Engel der deutschen
Gefangenen genannt.
Bei meinen Bemühungen für die Gefangenen war es mir immer von
besonderer Bedeutung, daß ich das ganze badische Land geschlossen binter
mir hatte. Ich habe nie kleinliche oder ungute Regungen gespürt, die unsere
Arbeit stören wollten.
Der Ehrendoktor, den mir die AUniversität Freiburg verlieh, war für
mich mehr als eine bloße Formsache. Ich nahm ihn als ein Zeichen auf-
richtiger Zustimmung und denke noch oft an die Worte, mit denen der
Dekan Drofessor Rosin mir die Auszeichnung überreichte:
„.. Wir wissen, was Ihre vorsichtige und doch so einflußreiche Arbeit
für die Ebnung der Wege bedeutete, auf denen es mehr und mehr ge-
lang, das Schicksal so zahlreicher auf dem östlichen Kriegsschauplatz Ver-
mißter festzustellen, um die namentlich nach großen Schlachten manches
treue Herz in der Heimat sich sorgte. Wir wissen, wie viele unserer
kranken und verwundeten Gefangenen durch Ihre nie rastende Mühe-
waltung aus Frankreich oder Rußland zurückkehrten, um in der Schweiz
ihre Heilung oder doch ärztliche Untersuchung und Fürsorge zu finden.
Wir wissen, wie es Ew. Großherzoglichen Hoheit gelang, die ernste
Mahnung zu menschlicher Behandlung unserer Gefangenen zur Geltung
zu bringen, wie immer wieder und nach allen Seiten hin, insbesondere
1 Geborene Prinzessin Elisabeth von Sachsen-Altenburg, Gemahlin des mir eng
befreundeten Großfürsten Konstantin Konstantinowitsch, des bedeutenden russischen
Dichters und bersetzers des Hamlet.
: Nach ihrer erschütternden Schilderung (Unter Kriegsgefangenen in Rußland und
Sibirien 1914 bis 1920, Berlin 1922, Seite 62) gingen von den 70000 Kriegsgefangenen
im Murmangebiet 25 000 zugrunde, 32000 waren im Herbst 1916 schwer krank.
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