Viertes Kapitel
Mein Kampf für die Einleitung der politischen Offensive
(Februar/ März 1918)
Bald nach meiner Ankunft in Berlin war ich in die Militärische Stelle
des Auswärtigen Amtes gegangen. Oberstleutnant v. Haeften teilte mir
den feststehenden Entschluß zur Offensive mit. Im Gegensatz zu manchen
Zivilisten, die ich in den folgenden Tagen sprach, war er von großem
Ernst. Er erwartete viel von der Offensive, aber nicht alles. Er sprach
nicht wie von der großen Sache, die uns unter allen Imständen den Sieg
und Frieden bringen würde, sondern wie von einer harten Notwendigkeit.
„Wir können uns erst mit den Engländern verständigen, wenn wir sie noch
einmal geschlagen haben.“ Er fügte hinzu: „Abrigens würde uns die
Defensive mehr Menschen kosten als die Offensive."“!
Ich betonte aufs neue, daß unser Interesse eigentlich den staatsmännischen
Frieden vor der Offensive forderte; wenn aber die Feinde hartnäckig
blieben, daß es dann erst recht darauf ankäme, ein klares Wort über
Belgien zu sprechen, um für die bevorstehende militärische Auseinander-
setzung ihre innere „Moral“ zu brechen. Auch stimmte mir Haeften darin
zu, daß unabhängig davon, ob man die Demokratie liebte oder nicht, die
Wahlrechtsreform noch vor Beginn der Operationen energisch in Angriff
genommen werden müsse, einfach aus militärischen Gründen. Wir durften
um keinen Dreis mit diesem Riß im Volke in die Kraftprobe bineingehen.
Während ich bei Oberstleutnant v. Haeften war, wurde der Abgeord-
nete Haußmann gemeldet. Er kam gerade aus der Schweiz und berichtete
über zwei diplomatische Aktionen, in die er hineingezogen worden war:
1 Die Außerung Haeftens war wohl nicht ganz schlüssig. Er, und durch ihn der
General Ludendorff, hatten bereits Ende Januar Kunde erhalten (siehe S. 214,
Anm. 2), daß die Engländer beim Zustand ihrer öffentlichen Meinung eine Offen-
sive an der Westfront in diesem Jahre kaum unternehmen konnten und sich deshalb
wohl ein Kriegsplan durchsetzen würde, der die Defensive vorsah. Die Alternative
war daher nicht unbedingt: Offensive oder Defensive gegen eine feindliche Offen-
sive, sondern vielmehr: Offensive oder verhältnismäßige Ruhe an der Westfront.
2 Bgl. Conrad Haußmann, Schlaglichter, Reichstagsbriefe und Aufzeich-
nungen, Frankfurt a. M. 1924, S. 176 ff.
Prinz Max von Baden 15 225