Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

wird, obgleich die Amerikaner, Franzosen, Italiener und Lloyd Georges 
eigene Überzeugung diese Lösung verlangen. 
Diese Uneinigkeit unter den maßgebenden Instanzen trägt Ver— 
wirrung in die Bevölkerung. Sie ist sowieso schon erregt durch die 
Wirkung des U-Bootkrieges. Seit Monaten müssen die Menschen in 
England das ertragen, was wir Unbequemlichkeiten und sie Entbehrungen 
nennen. Die Queus vor den Lebensmittelläden verbreiten einen häß- 
lichen Geist. Die Arbeiter sind natürlich am meisten getroffen; sie for— 
dern die Zwangsrationierung. Lloyd George nimmt die soziale Unzu- 
friedenheit ernst; das geht daraus hervor, daß er dem Bergarbeiterführer 
Smillie den Posten des Lebensmitteldiktators anbietet. Smillie lehnt 
ab und gibt auf dem Nottinghamer Arbeiterkongreß die Begründung: 
OLloyd George würde ihm nicht die Vollmacht zur Verfügung gestellt 
haben, die er hätte verlangen müssen, ohne Richter und ohne Prozesse 
jeden Wucherer aufzuknüpfen. 
Hier meldet sich die bolschewistische Geste. 
Mitte Januar kommt es zum Krach: Das neue Wehrpflichtgesetz sagt 
den Rüstungsarbeitern ihre Anabkömmlichkeit auf. Als Sir Auckland 
Geddes am 15. Januar die Vorlage einbringt, bedroht er die Drücke- 
berger mit dem Haß und der Verachtung des ganzen Landes: Ihr wollt 
frei von Gefahr leben, während eure Bäter in die Schützengräben ge- 
schickt werden und die Berwundeten wieder hinaus müssen! Das Haus 
jubelt dieser Herausforderung zu. Die Rüstungsindustrie aber nimmt sie 
auf. Von Woolwich, vom Mersey, aus Manchester, vom Clyde laufen 
AResolutionen ein, die die Forderungen von Geddes ablehnen und dazu 
aufrufen, sich mit allen Mitteln einem weiteren Anspruch an die Men- 
schenkraft der Nation zu widersetzen, wenn nicht die Regierung die 
Kriegsziele der Arbeiter akzeptiere und eine internationale Arbeiter- 
konferenz zulasse. Die verwöhnten und nun in ihrer Anabkömmlichkeit 
bedrohten Munitionsarbeiter bemächtigen sich allenthalben der russischen 
bhrasen vom Frieden ohne Entschädigungen und Annexionen und dem 
sofortigen Waffenstillstand. Dazwischen erklingt der Schlachtruf des 
Klassenkampfes: „Conscription of wealth“ (Vermögenseinziehung). 
Das bedeutsamste Symptom ist die Beunruhigung der Kriegsparteien. 
Von konservativer Seite wird der Regierung geraten, der A. S. E. 
1 „Ein Oberbefehlshaber für die Alliierten wurde nicht ernannt,“ antwortet 
Bonar Law auf eine Frage Asquiths, die offenbar vom Generalstab inspiriert war. 
Havas knüpft daran die Bemerkung: „Es besteht nichtsdestoweniger Anlaß, zu glau- 
ben, daß die angenommene Lösung sich wenig von der Ernennung eines Generalissimus 
unterscheidet.“ 
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