würgte. Wollte man eine Botschaft herübersenden, mit der Lansdowne
etwas anfangen konnte, so mußte ihr Klang rein sein und weithin tragen.
Die Worte durften nicht in gewollter Vieldeutigkeit so gewählt sein, daß
sich die Alldeutschen zuzwinkern konnten über eine Fassung, die noch aller-
hand Sicherungen anzubringen gestattete. Von Le Havre, das unter keinen
Imständen hätte apostrophiert werden dürfen, war kein Vorschlag zu ge-
wärtigen; überhaupt hieß es die Todfeindschaft der alliierten Regie-
rungen unterschätzen, wenn man mit einer amtlichen Initiative der Feinde
rechnete.
Bestand noch irgendeine Hoffnung, den Reichskanzler umzustimmen?
Man dachte unwillkürlich an die Mitwirkung unserer Diplomatie: mehrere
unserer Vertreter im Ausland hatten immer wieder in Berlin auf die Er-
klärung über Belgien gedrängt. Sie streckten sicher jetzt mehr denn je ihre
Fühler aus. Vielleicht brachte die Nervosität auf der anderen Seite den
Kontakt, der bisher nicht herzustellen war.
Ich telegraphierte deshalb nach Berlin, meine Freunde sollten die
Schweizer Aktiont mit erhöhter Wachsamkeit verfolgen.
Konnte von mir aus noch etwas geschehen?
Ich gab Auftrag, noch einmal die Gründe schriftlich niederzulegen gegen
die Illusionen, die der von uns empfohlenen Politik entgegenstanden. Wir
wollten nach dem folgenden Plan vorgehen: im ersten Teil der Denk-
schrift sollten den Annexionisten alle ihre falschen politischen Voraus-
setzungen zugegeben und dann der Nachweis geführt werden: auch von
eurem Standpunkt aus müßt ihr durch eine maßvolle Kriegszielpolitik
die Offensive vorbereiten.
Sodann wollte ich noch einmal warnen vor der sich notwendig ver-
schlechternden militärischen und politischen Lage, auch wenn wir siegten;
vor dem drohenden Abfall der Bundesgenossen, vor der Festigung der
heute auseinanderstrebenden Allianz. Ich wollte die nicht wiederkehrende
Gunst der Stunde schildern: wie wir auf dem Höhepunkt unserer mili-
tärischen Macht sind, von der es nur einen Abstieg geben kann; wie unsere
Siege die Welt in Schrecken setzen, wie die Feinde einer genialen Heeres-
leitung mit geheimem Grauen gegenüberstehen und sich unter der eigenen
Führung nicht sicher fühlen; wie uns das Vertrauen aus den befreiten
Randvölkern entgegenschlägt, wie mit einem Worte die Versuchung zum
Abermut beinahe unwiderstehlich ist und uns nur die zügelnde Staatskunst
bewahren kann. Zum Schluß — ohne AMücksicht auf taktische Erwägungen
— das Bekenntnis zum ethischen Imperialismus: Nicht weil wir nicht
1 Siehe oben S. 226.
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