Das Golk spürte die unversöhnlichen Gegensätze im Kriegsrat Englands
und war gespannt auf jede Außerung, die aus Oeutschland kam.
Der englische Staatssekretär des Auswärtigen hatte Hertlings Er-
klärung so verdreht, wie er es für seine Zwecke brauchte, aber noch war
die Diskussion nicht geschlossen.
Nun hatte der Reichskanzler das Wort. Er ergriff es nicht.
Ich erhielt die Nachricht aus Berlin, Oberstleutnant v. Haeften wolle
jetzt auch nichts mehr von der Erklärung über Belgien wissen, er habe
in militärischem Gehorsam das „sacrificio dell’ intelletto“ gebracht.
Meine Freunde setzten noch Hoffnung auf eine Erkundung im Haag.
Dort sollte Oberstleutnant v. Haeften mit Noeggerath zusammentreffen.
Sie hatten sich nicht wiedergesehen seit der letzten Stunde vor dem U-Boot-
krieg, da Haeften von ihm bedrängt wurde, er möchte noch einen Auf-
schub bei der Obersten Heeresleitung durchsetzen. Jetzt war es wieder die
leczte Stunde vor unwiderruflichen Entscheidungen. Aus dem Haag waren
zwei Mitteilungen nach Berlin gelangt:
Die eine vom 1. März. In zwei voneinander unabhängigen Anter-
redungen habe Garret, der amerikanische Gesandte im Haag, starke An-
deutungen fallen lassen, daß Aussprachen nicht unmöglich wären. Wahr-
scheinlich werde auf offiziellem Wege hierüber nach Berlin berichtet
und gebeten werden, eine geeignete Persönlichkeit sofort hierherzusenden.
Bei der Unberechenbarkeit des Stimmungswechsels bleibe das Nisiko
offen, daß der Betreffende vergebens reise, aber nach Lage der
Dinge sei nahezu gewiß, daß ein Gedankenaustausch zustande komme.
Max Warburg schiene die geeignete Persönlichkeit: er könne unauffällig
reisen und habe genaue Kenntnis der amerikanischen Verhältnisse.
Die andere Meldung vom 4. März besagte: Es wäre wünschenswert,
daß Oberstleutnant v. KHaeften nach dem Haag käme, um sich darüber zu
orientieren, wie verhängnisvoll die Begleitumstände des nun in Brest
erpreßten Vertrages gewirkt hätten. „Sie werden wohl mit den Frie-
densströmungen bei den Alliierten gründlich aufräumen.“
So kam es, daß zwischen dem 5. und 9. März Oberstleutnant v. Haeften,
Hahn und Max Warburg gleichzeitig im Haag waren. Max War-
burg war vor seiner Reise vom Grafen Hertling empfangen und über
die deutschen Kriegsziele in Kenntnis gesetzt worden.
Der amerikanische Gesandte unternahm keine Schritte, um das Zu-
sammentreffen mit Warburg herbeizuführen. Der erste Sekretär wäre zu
einer privaten Aussprache bereit gewesen, aber Warburg lehnte ab aus
dem Gefühl heraus: bei der offenbar auf der Gesandtschaft einge-
242