Verhandlungen eröffnet haben. Die amtliche Friedensbereitschaft —
falls überhaupt je vorhanden — war meines Erachtens schon wieder ver-
flogen, sonst hätte die Anwesenheit des Herrn Warburg im Haag von der
amerikanischen Gesandtschaft benutzt werden müssen. Andererseits hat
Noeggerath diese Ziele überhaupt nicht als Vorbedingungen formu-
lieren wollen, deren Annahme dem Beginn der Friedensverhandlungen
vorauszugehen hätte, sondern als Desiderata, wie sie von der Gegen-
seite gestellt werden würden, wenn jetzt Verhandlungen stattfänden —
wobei allerdings die Einführung einer Majoritätsregierung als der ge-
eignete Schritt bezeichnet wurde, um die Eröffnung von Friedensbe-
sprechungen wesentlich zu erleichtern. Der Wert der AUnterredung aber lag
in den Mitteilungen, die Noeggerath über den Zustand der öffentlichen
Meinung in den angelsächsischen Ländern machte:
Wenn die deutsche Regierung eine unzweideutige Erklärung über Bel-
gien abgibt, und zwar im Rahmen eines großen Kriegszielprogramms,
das auch den Brest-Litowsker Frieden bereinigt, dann marschiert der
Friede. Die angelsächsischen Bölker werden dann ihre Regierungen zu
Verhandlungen zwingen, ehe die Hölle dieses Jahres beginnt.
Haeften stellte die Frage an Noeggerath, ob ihm nicht bekannt sei, daß
Deutschland im Westen noch nie so stark war wie heute. Zum erstenmal
hätten wir die Aberlegenheit in Frankreich. Noeggerath erwiderte: Das
ist uns in Amerika sehr wohl bekannt. Man rechnet jetzt mit einer großen
Offensive Deutschlands und mit der Einnahme von Daris. Glauben Sie
aber, daß damit der Krieg für die Amerikaner zu Ende sein wird? Dann
fängt er erst recht an. Darauf Haeften: Aber die Franzosen werden nicht
durchhalten, wenn Paris fällt. Noeggerath: Sie können auch dann den
Frieden nicht erzwingen, wenn Ihre Bedingungen für das Ehrgefühl
der Ententevölker untragbar sind. Das deutsche Volk aber wird die Offen-
sive gar nicht durchhalten, wenn Sie nicht maßvolle Kriegsziele prokla-
mieren, ehe sie losgeht.
Gielleicht hätte diese Aussprache den Wendepunkt bringen können; aber
Oberstleutnant v. Haeften erhielt am nächsten Tage neue und anders
lautende Informationen, die ihn in seiner natürlichen Abneigung bestärk-
ten, noch in letzter Minute störend einzugreifen.
Der Militärattaché im Haag, Major v. Schweinitz, und Legationsrat
vonder Heydt, zwei Beobachter der internationalen Lage von ungewöhn-
lichem Feingefühl, hatten lange Anterredungen mit Herrn v. Haeften.
1 Sie haben ihre Gedanken unmittelbar darauf schriftlich fixiert, Herr v. Schwei-
nitz in einem militärischen Bericht vom 8. März 1918 (Abriß meiner Haager Be-
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