Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

essen in der Akraine opferten, hat nicht nur die Polen gegen uns mobil 
gemacht, sondern auch das Mißtrauen der Ukrainer selbst gegen uns erregt. 
Ihre Vertreter haben ganz offen in Berlin erklärt: „Wenn ihr uns nur 
nicht annektieren wollt!“ 
Wir wiederholen es: beruhigende einzelne Versicherungen können dieses 
Mißtrauen nicht zerstören, das von der Entente mit einem ungeheuren Auf- 
wand an Geist und Geld genährt wird. Klarheit in der belgischen Frage ist 
auch hier ein entscheidender Schritt. 
Der deutsche Imperialismus 
Die demokratische Welle droht die Grundlage jedes Imperialismus 
wegzuspülen. Diese Drohung ist besonders gefährlich für den deutschen Im- 
perialismus; er existiert noch nicht, er soll erst geschaffen werden. Die Grund- 
lagen des englischen Imperialismus reichen in dunkle Vergangenheit zurück 
und werden von der Weltmeinung heute nicht mehr nachgeprüft. Für 
Deutschland aber heißt es, heute im Lichte der schärfsten Weltkritik die 
Grundlagen seines Imperialismus erst zu legen. 
Als Resultat dieser Gedankengänge sei gleich vorweg genommen: 
Will der deutsche Imperialismus dem Ansturm der Demokratie mit 
ihrem Anspruch auf Weltverbesserung standhalten, so muß er sich ethisch 
fundamentieren. Mit dem reinen Machtanspruch kann die Demokratie 
mühelos fertig werden. Der Krieg hat uns die Gelegenheit gegeben, unser 
Recht auf Macht zu etablieren. 
Denn 
1. vor dem Kriege war die Welt vergeben: wo wir uns politische Macht- 
erweiterung sichern wollten, saßen fremde Gewalten und Prieoritäts- 
ansprüche. Besonders in Europa schnürte uns der Panzer ein, den der 
Wiener Kongreß uns bewußt angelegt hatte. 
2. England hatte einen besseren Namen in der Welt als wir. Er stand 
uns überall im Wege. Darüber dürfen nicht hinwegtäuschen die hervor- 
ragenden Leistungen einzelner deutscher Anternehmer. Sie handelten nicht, 
wie die Engländer, als Vertreter eines nationalen Ethos. Fontane konnte 
mit Recht ausrufen (in seinem Gedicht: Civis germanus sum): „Wann 
wird auch für uns kommen der stolze Tag: Fire, but don’'t hurt the 
flag.“ 
Der Tag ist gekommen. 
1. Der Danzer des Wiener Kongresses ist gesprengt. Die Geschicke ganzer 
VBölker sind erneut zur Entscheidung gebracht. Mächtige HLänderstrecken an 
unserer Grenze sind frei geworden. Neu entstehende Staatengebilde be- 
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