Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

feindliche Lager— wer denken konnte, der konnte nicht handeln, wer handeln 
konnte, konnte nicht denken. Das ist während des Krieges anders geworden. 
Draußen im Felde sind Führer im kleinen erstanden, die vorher nur an den 
Heroismus des Gedankenlebens gedacht hatten. Aberall regt sich die Lust, 
an der gemeinsamen Sache mitzuschaffen. Wegweiser sind heute gewillt, 
den Weg auch zu führen, den sie sonst nur wiesen. Das Kriegsglück hat uns 
den Dienst erzeigt, diese neue deutsche Art weltbekannt zu machen. Was 
die Fahrten unserer deutschen Kreuzer für unseren ethischen Imperialismus 
bedeuten, wird erst die Geschichte erweisen. Aber Herrn v. Müller sagte 
seinerzeit das offiziöse Organ der englischen Regierung: Er hat uns großen 
moralischen Schaden getan. Das können wir gern glauben, wenn wir hören, 
daß er die Besatzung eines von ihm freigelassenen Schiffes vor den zu 
seinem Schaden gelöschten Lichtern Kalkuttas warnte und eine indische 
Zeitung darüber sagte: Herr v. Müller ist ein Sahib, denn er schonte die 
Frauen und Kinder. 
Die gleichen Vorpostendienste für unseren guten Namen haben viele 
andere geleistet. 
Zuletzt die Husarenpatrouillen in Livland und Estland, die mit über- 
menschlichen Anstrengungen, unbekümmert um ihre eigene Sicherheit, vor- 
wärts drängten, überall dorthin, wo es zu retten und zu schützen galt. 
Das Schicksal zeichnet uns klar unsere nationale Sendung vor: wir haben 
die Menschen, die sie glaubhaft machen können. Hierzu bedarf es nur der 
schöpferischen staatsmännischen Tat. 
Oer Weg, der in dieser Denkschrift gewiesen wurde, i# r von der deutschen 
Staatskunst nicht beschritten worden; so ist die Dolitik des Echischen 
Imperialismus unerprobt geblieben. 
Die Ereignisse, wie sie der Gang der Geschichte tatsächlich herauf- 
geführt hat, haben ihr eigenes Schwergewicht bei der rückblickenden 
Urteilsbildung. Schon heute vollzieht sich mit fast dogmatischer Kraft 
die Schlußfolgerung: der Verständigungsfriede war unter keinen Am- 
ständen zuwege zu bringen. Der Historiker, wenn ihn nicht ein politisches 
Temperament bewegt, ist im Grunde Fatalist und glaubt, weil es so kam, 
daß es auch so kommen mußte. Ferner haben viele Menschen, die an der 
Bildung der öffentlichen Meinung Anteil haben, ein Interesse daran, 
zu leugnen, daß der Krieg durch einen Verständigungsfrieden beendet 
werden konnte: einmal alle diejenigen, die Deutschlands tragischen Sturz 
glauben besser ertragen zu können, wenn sie ihn mit einer schicksalhaften 
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