höchste Zeit,“ so sagte er zu Haeften, „daß etwas geschieht; die Denkschrift
muß noch heute abend mit einem Anschreiben! an den Reichskanzler.“
Am 17. Juni erläuterte Haeften seinen Plan beim Grafen Hertling in
Gegenwart des Staatssekretärs v. Kühlmann: jetzt wäre auch die Er-
klärung über Belgien von General Ludendorff zu erlangen. Kühlmann
übertrug Haeften die Vorbereitung und Durchführung der vorgeschlagenen
politischen Offensive, er selbst aber zog nicht die natürlichen Konsequenzen
aus der Eröffnung, die Haeften ihm gemacht hatte. Der Staatssekretär
glaubte damals an die nahende Möglichkeit vertraulicher Besprechungen
und hielt am 24. Juni seine Rede, darin er das, was ihn die Oberste
Heeresleitung als geheime Information hatte wissen lassen: sie glaube
nicht mehr an einen Sieg durch Waffengewalt allein, folgendermaßen
verwertete:
„Ohne einen solchen Gedankenaustausch wird bei der ungeheuren Größe dieses
Koalitionskrieges und bei der Zahl der in ihm begriffenen. Meächte durch mili-
tärische Entscheidungen allein ohne alle diplomatischen Verhandlungen ein abso-
lutes Ende kaum erwartet werden können.“
Bei dieser Gelegenheit zeigte sich wieder so recht unser Mangel an
politischer Disziplin. Die Bemerkung des Herrn v. Kühlmann war nicht
sehr akzentuiert (ihre Gefahr lag ja überhaupt nur darin, daß sie — un-
vermittelt — so ganz anders klang als die offiziellen Kundgebungen seit
Beginn der Offensive). Man konnte hoffen, daß diese Worte verweht
waren, ehe der Feind auf ihre tiefere Bedeutung aufmerksam wurde. Da
stellte unsere nationale Opposition die unglückliche Bemerkung Herrn
v. Kühlmanns in den Brennpunkt der Diskussionen.
Kronprinz Rupprecht schrieb mir am 5. Juli 1918 darüber:
„Die Vorgänge im Reichstag, Kühlmanns Rede, wie auch die Reden
Stresemanns und Posadowskys waren nicht erfreulich, Stresemann hat
am meisten gesündigt, indem er die Worte Kühlmanns so deutete, wie
wenn nach dessen Ansicht in militärischer Hinsicht sich überhaupt nichts
mehr machen ließe, und Posadowsky insofern gefehlt, als er aussprach,
daß Kühlmann Dinge gesagt habe, die man wohl unter vier Augen,
nicht aber in der Offentlichkeit sagen könnte, und hierdurch die MRichtig-
1 Vom 8. Juni 1918, gedruckt: Das Werk des Untersuchungsausschusses, Bd. 1,
Berlin 1925, S. 131f.
2 Die Denkschrift wurde am 8. Juni an den Reichskanzler „dringend befürwortet“
(Ludendorff, Urkunden, S. 473, Anm.) weitergegeben und ihm am 14. Juni über-
reicht. Bgl. das Werk des Untersuchungsausschusses, Berlin 1926, Bd. 8, S. 273.
3 Hauptkritiker Kühlmanns war Graf Westarp.
278