Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

dann stizzierte der General dem Feldmarschall noch einmal die militärische 
Lage in ihrer ganzen Schwere. 
Über diese Besprechung vom 13. August zwischen der Reichsleitung und 
der Heeresleitung gibt es kein Protokoll, aber ich bin überzeugt, daß der 
Feldmarschall nichts beschönigt und verschwiegen hat.1 Entscheidend will 
es mir scheinen, daß auf Grund dieser Vorbesprechungen Staatssekretär 
v. Hintze im Kronrat die ihm gewordenen militärischen Mitteilungen fol- 
gendermaßen zusammenfaßte: 
„Der Chef des Generalstabs des Feldheeres hat die kriegerische Situa- 
tion dahin definiert, daß wir den Kriegswillen unserer Feinde durch 
kriegerische Handlungen nicht mehr zu brechen hoffen dürfen, und daß 
unsere Kriegführung sich als Ziel setzen muß, durch eine strategische De- 
fensive den Kriegswillen des Feindes allmählich zu lähmen.“? 
Dieser Kronrat vom 14. August, abgehalten unmittelbar nach dem 
Wendepunkt des Krieges, ist bereits jetzt in der Geschichte hart umstritten. 
Es steht Aussage gegen Aussage.“ Außer dem Kaiser waren anwesend: 
der Kronprinz, die beiden Feldherren, Graf Hertling und Staatssekretär 
v. Hintze, außerdem vom Gefolge des Kaisers: Generaladjutant v. Plessen, 
Chef des Zivilkabinetts v. Berg, Chef des Militärkabinetts Freiherr Mar- 
schall. Die große Streitfrage lautet: Hat der Kaiser die „ungeschminkte 
Bilanz des Weltkrieges“ zu hören bekommen, wie er das gefordert? 
Darauf ist zu sagen: Wenn man die Frage so auffaßt: Ist General Luden- 
dorff vor seinen Obersten Kriegsherrn im Kronrat bingetreten und hat zu 
ihm gesprochen, etwa wie er zum Feldmarschall gesprochen hat, so muß die 
klare Antwort gegeben werden: Nein, die Oberste Heeresleitung hat nicht 
ohne Schonung und Rücksicht gesprochen. — Wenn man aber anders fragt: 
Empfing im Kronrat die Reichsleitung in die furchtbare Lage einen ge- 
nügend deutlichen Einblick, um sofort handeln zu müssen — in der äußeren 
wie in der inneren Politik — so kann diese Frage mit Entschiedenbeit bejaht 
werden. Den Worten Hingzes, mit denen er die ihm erteilten militärischen 
1 Bgl. Hertling, a. a. O., S. 148, über den Inhalt der Besprechung, und Bericht 
Haeftens, a. a. O., S. 372. 
à Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918, Berlin 1924, 
S. 4. 
2 Drotokoll gedruckt: Amtliche Urkunden Nr. 1. 
4* Vgl. Ludendorff, Das Scheitern der neutralen Friedensvermittlung August. 
September 1918, Berlin 1919, S. 10 ff. Paul v. Hintze, Das Waffenstillstands- 
angebot, „Vossische Zeitung“ vom 11., 12. und 13. September 1919 und seine Aus. 
zeichmung, Amtliche Urkunden Nr. 2. 
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