Wir wünschen die Regelung der kolonialen Fragen nach dem Grundsatz, daß
kolonialer Besitz den wirtschaftlichen Kräften der europkischen Na-
tionen entsprechen soll und ihrer in der Geschichte bewiesenen W ürdigkeit,
die ihnen anvertrauten farbigen Bölker zu beschützen. Die wirtschaftliche Tüchtig-
keit allein ist kein genügender Rechtstitel, kolonisieren heißt missionieren. Diejenigen
Staaten, die nach diesem Grundsatz vor dem Kriege zu handeln bestrebt waren, die
Menschheit auch in den Farbigen zu achten, diese Nationen haben das moralische
Recht erworben, eine Kolonialmacht zu sein. Dieses Recht hatte sich Deutschland
vor dem Kriege erworben. Die Befreiergeste, mit der die Annexion der deutschen
Kolonien als gottgewolltes Werk plausibel gemacht wird, ist eine Blasphemie.
Es erscheint Balfour als etwas Selbstverständliches, den Raubinstinkt der eng-
lischen Imperialisten moralisch zu rechtfertigen.“
Dann schloß er:
„.. Meine Herren! Die psychologische Situation, aus der heraus der britische
Staatsmann handelt, ist klar:
Die Feinde wollen keinen Frieden durch Verhandlungen.
Noch einmal geht eine Welle des Abermuts durch ihre Völker wie nach dem Ein-
tritt Italiens, wie nach dem Eintritt Rumäniens und wie nach jedem vorüber-
gehenden politischen oder militärischen Erfolge, und schon sind wieder die alten
Kriegsziele bei der Hand, die in den noch nicht gekündigten Geheimverträgen so
deutlich festgelegt sind. Der Ententekrieg geht heute wieder um Raub und Ruhm.
Aus diesem Tatbestand ergibt sich klar die Schlußfolgerung: Wir müssen die
Balfoursche Rede hinnehmen als einen Aufruf an das deutsche Volk, im
fünften Kriegsjahr von neuem alle seine Kräfte des Leidens, Kämpfens und Sie-
gens zusammenzuraffen, wie in der großen Erhebung vom August 1914 .“
Meine NRede wurde am 22. August 1918 in Karlsruhe gehalten. Der
Anlaß war die Hundertjahrfeier der badischen Verfassung:
„Eure Königliche Hoheit haben die beiden Häuser der Landstände um sich ver-
sammelt, um die Erinnerung zu feiern, daß heute vor hundert Jahren Großherzog
Karl dem badischen Lande seine Verfassung gegeben hat.
Das badische Bolk weiß sich eins mit seinem Fürsten in dankbarem Gedenken
an diesen guten Tag seiner Geschichte.
.. Großherzog Karl und seine Regierung hatten erkannt, daß die Wunden
eines so langen und furchtbaren Krieges sich nur schließen konnten, wenn es gelang,
die eigenen Heilkräfte des Volkes durch ein starkes und aufrechtes politisches Leben
zu wecken.
Es ist wohltuend, sich heute die Antworten auf die Thronrede ins Gedächtnis
zurückzurufen, welche die Erste und Zweite Kammer dem Großherzog in ihren
Dankadressen gaben.
In der Adresse der Ersten Kammer findet sich folgender Satz:
„Unsere vereinten Bestrebungen werden mithin dahin gerichtet sein, daß die
Verfassung der Schild der persönlichen Freiheit und des Eigentums und das feste
Band werde, das alle Klassen in brüderlichem Verein zu gleicher Verehrung und
gleichem Wetteifer für die Sache des Thrones und des Baterlandes als unzer-
trennbare Einheit unauflöslich verbindet.“
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