Der Vertreter der Obersten Heeresleitung, Oberst v. Winterfeldt,
gab alsdann Auskunft über die militärische Lage: Die gegenwärtigen
Kämpfe seien für Führung und Truppe das Schwerste, was sie im Krieg
erlebt haben. Der Feind wolle eine neue Entscheidung herbeiführen. Schon
erstrecke sich der Kampf auf eine Front von 100 Kilometern, man müsse
mit einer weiteren Ausdehnung rechnen. Die Frage des Mannschafts-
ersaßes sei die ernsteste, vor der die Fragen des Prestiges und des Ge-
ländes in den Hintergrund träten. Wir müßten Menschen sparen, das sei
jetzt die Hauptsache.
Oberst v. Winterfeldt war gerade dabei, gewisse Fortschritte in der Be-
kämpfung der Tankwaffe glaubhaft zu machen — da wurde er durch ein
Telephonat des Generals Ludendorff unterbrochen. Er gab den versam-
melten Herren von dem erschütternden Inhalt Kenntnis: Die Wotan-
stellung ist überrannt. Zwei hintereinanderstehende Divisionen sind durch
massierte Tankangriffe überwältigt worden. Winterfeldt sagte abschließend:
Die Lage sei nach Ansicht der Obersten Heeresleitung gespannt und
ernst, aber der Feldmarschall und Ludendorff ließen deshalb keineswegs
den Kopf hängen. Auch bei der Obersten Heeresleitung bestehe der
Wunsch, den Krieg nicht ins Angemessene zu verlängern. Das gegenwär-
tige Anrennen der Feinde geschähe wohl ebenfalls in der Absicht, den
Krieg rascher zu beenden.
Minister Dr. Düringer sekundierte dem Oberst v. Winterfeldt. Der
gegenwärtige Augenblick sei der denkbar ungünstigste zu Friedensaktionen,
jede dahin gehende Außerung bedeute nur ein Eingeständnis der Nieder-
lage und Schwäche. Er äußerte sich sehr entschieden über die Notwendig-
keit, etwas für die Aufrichtung der Heimat zu tun.
Düringer schrieb mir am 6. September 1918 in einem Drivatbrief
über diese Sitzung: Einzelne Ausführungen wären viel defaitistischer ge-
wesen, als der offizielle Bericht erkennen ließe.
Er gab mir dann noch von einem Gespräch Kenntnis, das nach dem an-
schließenden Essen im Reichskanzlerpalais der bayerische Ministerpräsident
mit ihm herbeigeführt habe. Dandl hätte ihm bedeutet, es wäre nach seiner
Meinung jetzt an der Zeit, daß Drinz Max von Baden das Amt des
MReichskanzlers übernähme.
„Sie (die badische Regierung) müssen natürlich dagegen sein; aber
ich würde es begrüßen, einmal, weil damit der Beweis geliefert wird,
1 Der Schilderung der Sitzung liegt der Bericht des braunschweigischen Ge-
sandten Boden zugrunde.
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