1. Wie lange kann die Armee den Feind noch jenseits der deutschen Grenzen
halten?
2. Muß die Oberste Heeresleitung einen militärischen Zusammenbruch erwarten
und bejahendenfalls in welcher Zeit? Würde der Zusammenbruch das Ende
unserer militärischen Widerstandskraft bedeuten?
3. Ist die militärische Lage so kritisch, daß sofort eine Aktion mit dem Ziel Waffen-
stillstand und Friede eingeleitet werden muß?
4. Für den Fall, daß die Frage zu 3. bejaht wird, ist die Oberste Heeresleitung
sich bewußt, daß die Einleitung einer Friedensaktion unter dem Oruck der
militärischen Zwangslage zum Berlust deutscher Kolonien und deutschen Ge-
biets, namentlich Elsaß-Lothringens und rein polnischer Kreise der östlichen
Provinzen führen kann?
5. Ist die Oberste Heeresleitung mit Absendung des anliegenden Notenentwurfes
einverstanden?
Euer Exzellenz wäre ich für sofortige Antwort dankbar.“
Meine Hoffnung auf klärende Auskunft erfüllte sich nicht. Die Ant-
worten wurden in der Sictzung verlesent und waren allgemein gehalten.
Sehr ernst klingende Worte standen neben zuversichtlichen Wendungen:
Ob die Front noch halten könne, ob ein Durchbruch zu befürchten sei,
hänge von vielen Faktoren, besonders von den Kräften ab, die der
Gegner einsetzen werde, und von der Dauer unserer Widerstandskraft.
Zähes Anklammern an den Boden, ausweichendes Zusammenziehen
der Front könnten einen allgemeinen Zusammenbruch verhüten und
ließen hoffen, daß bis zum Frühjahr das deutsche Gebiet geschützt wer-
den könne.
„Die Oberste Heeresleitung zieht, falls es nicht anders geht, die Auf-
gabe geringer, französisch sprechender Teile Elsaß-Lothringens in Be-
tracht, Abtretung deutschen Gebiets im Osten kommt für sie nicht in
Frage.“
Der Grundton blieb immer der gleiche: „Die Lage verschärft sich aber
täglich und kann die Oberste Heeresleitung zu schwerwiegenden Ent-
schlüssen zwingen.“
Die Forderung nach Herausgabe des Angebots wurde aufrechterhalten,
aber die Worte, mit denen der Feldmarschall die vorbereiteten Antworten
erläuterte, enthielten nichts, was die Aberstürzung rechtfertigte. Im Gegen-
teil, sie verstärkten den Eindruck, daß für den Augenblick die Gefahr vor-
über sei.
1 Ludendorff bringt (Urkunden S. 540 f.) die erteilten Antworten, ferner die Be-
richte Haeftens und Bussches Über den 3. Oktober. Bgl. auch Dayer, a. a. O.,
S. 109 f.
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