Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Weg vorgezeichnet teils durch die Macht der Verhältnisse, teils durch 
Zusagen, die Graf Hertling bereits den Parteien gemacht hatte. 
Wir sträubten uns beide dagegen, an der grundlegenden Bestimmung 
des Artikels 9 zu rütteln: „Niemand kann gleichzeitig Mitglied des 
Bundesrats und des Reichstags sein.“ Ich wußte, daß die Bundesregie- 
rungen meine Bedenken teilten. Für sie mußte das Mitglied des Bundes- 
rats ein Gesandter sein, den sie instruierten, und der gegebenenfalls auch 
gegen seine Aberzeugung seinen Instruktionen entsprechend zu stimmen 
hatte. Ein Reichstagsabgeordneter aber durfte von Rechts wegen nur die 
Bindung anerkennen, die ihm sein Gewissen und die Verantwortung gegen 
seine Wähler auferlegten. 
Wir einigten uns auf eine Lösung, die meiner Erinnerung nach Unter- 
staatssekretär Lewald vom Reichsamt des Innern vorgeschlagen hatte: 
den parlamentarischen Staatssekretären ihr Reichstagsmandat zu lassen 
(also den Artikel 21 abzuschaffen), aber sie nicht zu Bundesratsmitgliedern 
zu ernennen. Bisher war jeder Staatssekretär Mitglied des Bundesrats 
geworden, auf Grund einer #bung, die der 1. Satz des Artikels 9 not- 
wendig machte, demzufolge die Stellvertreter des Reichskanzlers nur als 
Bundesratsmitglieder jederzeit im Reichstag das Wort ergreifen durften. 
Wir fanden nun den Ausweg: das Stellvertretergesetz dahin zu ergänzen, 
daß die Staatssekretäre, auch ohne Mitglieder des Bundesrats zu sein, 
jederzeit als Stellvertreter des Reichskanzlers auf Verlangen im Reichs- 
tag gehört werden mußten. Auf diese Weise glaubten wir der Forderung 
Genüge zu tun, daß das Abergewicht des Bundesrats über den Reichs- 
tag beseitigt werde, und gleich zeitig den Bundesrat vor der „Parlamen= 
tarisierung“ zu schüten, die dieser „eigentümlichsten der deutschen Reichs- 
institutionen“ des Deutschen Reichs ihren Charakter genommen hätte. 
Erst am späten Nachmittag kam ich dazu, auf wenige Minuten die 
Herren zu besuchen, die mit der Vorbereitung der Rede beschäftigt waren. 
Ich fand sie in der freudigen Stimmung gelingender Arbeit. Simons hatte 
seine 14 Hunkte formuliert. Man spürte in jedem Worte die verhaltene 
Leidenschaft, mit der er daran ging, den Prozeß für Deutschland vor der 
ganzen Welt zu führen. 
Während der Arbeit hatte er zu Hahn gesagt: „Ich weiß gar nicht, ob der 
Prinz mich als Mitarbeiter gebrauchen kann. Wissen Sie denn, welchem 
Grundsatz ich in der äußeren olitik folge? „Trachtet am ersten nach dem 
MReiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zu- 
fallen!“ 
Hahn konnte ihm erwidern: „Im Ethischen Imperialismus hat sich der 
Hrinz zu dem gleichen Wahlspruch bekannt.“ 
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