Landwirtschaftsministerium tätig gewesen. Leider zwang ihn schon im
Jahre 1915 eine schwere Erkrankung, seine Arbeit in Berlin zu unter-
brechen. Nach dem deutschen Zusammenbruch ließ er sich als Sterbender
nach seinem geliebten Riga bringen.
Das englische Referat wurde von Kurt Hahn geleitet, der am 1. Au-
gust 1914 England nach jahrelangem Aufenthalt verlassen hatte. Die eng-
lische Presse stellte ein einzigartiges diagnostisches Material dar. Man konnte
die großen Zeitungen wie die „Times“, die „Westminster Gazette“,
„Manchester Guardian“ gar nicht mit unseren führenden Blättern ver-
gleichen.
„Die deutsche Presse,“ so schrieb Rohrbach, „ist, wenn auch mit be-
achtenswerten Ausnahmen,# sobald es sich um auswärtige Dolitik
handelt, ein Tummelplatz von Meinungsäußerungen unvollkommen unter-
richteter Redakteure, oder sie schreibt maßgeblichen Orts gegebene Infor-
mationen nach.“ Die großen englischen Blätter reflektieren nicht nur die wich-
tigen Entscheidungen der Kriegspolitik, sondern sie bereiten sie vor. Das Ka-
binett und das War Office liegen oft in hartem Streit. Beide suchen Rück-
halt in der Presse, um sich bei Eintritt in die letzten Beratungen auf volkstüm-
liche Strömungen stützen zu können. Auch der einzelne Minister ruft gegen
den ihm verderblich scheinenden Standpunkt seiner Kollegen die Dresse
zu Hilfe. So werden die großen Meinungsverschiedenheiten: „Strategische
Entscheidung im Osten oder Westen“, „Dienstpflicht“ oder „Willing
service“, „Bevorzugung der Heimatbasis oder der Armee bei der Men-
schenmaterialverteilung“, in aller Offentlichkeit ausgetragen, und die ins
Vertrauen gezogenen Blätter können es sich nicht versagen, Bulletins
auszugeben, wie es der von ihnen vertretenen Sache im Kabinett ergeht.
Die Zeitungen vergessen immer wieder, daß der Feind zuhört; von Zeit
zu Zeit versuchen sie ihre Indiskretionen durch Anfälle von krampfhafter
Verschwiegenheit gutzumachen, die aber nur komisch wirken und gerade
das enthüllen, was sie verbergen wollen.
Lord Northeliffe nahm eine Sonderstellung ein, er arbeitete nicht nur
vor und mit: die Direktive lag häufig in seiner Hand.
So war die Zentralstelle imstande, wichtige Ereignisse vorauszusagen,
wie die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die dramatische und
abrupte Bildung eines Koalitionsministeriums; am 14. Juli 1915 wurde
in Rechnung gestellt, daß sich schließlich Lloyd George bereit finden würde,
aus Northeliffes Händen die nationale Führerschaft anzunehmen. Vier
1 In einer unveröffentlichten Denkschrift vom Juli 1915: „Die innerpolitische Lage
in England und die Möglichkeit ihrer Beeinflussung von Deutschland aus.“
: Von mir gesperrt.
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