„Möge sich kein Kleinmütiger in Deutschland selbst, mögen sich auch die
Feinde nicht darüber täuschen, was in unserer Front und in unserem Volk
heute noch für Verteidigungskraft steckt. Es würde nicht vom Volk und
nicht von unserer in hundert Schlachten erprobten Armee verstanden wer-
den, wenn die deutsche Regierung in einen Frieden willigen würde, der
die Preisgabe der Ehre der Nation fordert.
„Ich zweifle nicht daran, daß auch Sie auf der Hinkent in der Stunde
der Not das GVaterland nicht im Stich lassen werden. Viele von Ihnen
haben gegen einen Gewaltfrieden gekämpft 'den Deutschland den Be-
siegten auferlegen würdel. Nun, sind Sie sich lwenn Deutschland seinen
Feinden unterliegt] darüber klar, daß es dann einen Ententefrieden geben
würde, der alles in den Schatten stellt, was jemals in der Weltgeschichte
einem tapferen Volk zugemutet worden ist?
„Sie haben meine Ansicht gehört. Ich habe offen und deutlich ge-
sprochen. Ich konnte es, weil die Abereinstimmung zwischen den Regie-
rungsmitgliedern feststeht. Ich bitte auch Sie um eine klare Stellungnahme,
ich bitte um Ihr Vertrauensvotum für die neugebildete Regierung und ihr
Drogramm.“
Als ich die Verlesung beendet hatte, fühlte ich aus Blicken und Worten,
daß es den Zuhörern ging wie mir: das Gefühl der nationalen Erniedri-
gung begann zu weichen. Wir richteten uns auf an dem Kampf ums
Recht, den meine Rede einleiten wollte.
Solf und Haeften gingen zu Herrn v. Payer, um im Kreise der dort
versammelten Staatssekretäre die Rede zu verlesen und zu vertreten. Ich
bielt das für einen bloßen Akt der Höflichkeit, darum blieb ich zurück und
besprach noch Einzelheiten: Haußmann versuchte beim 8. Punkt eine
Fassung durchzubringen, die nur die Autonomie versprach und nicht das
Referendum erwähnte.
Ich fügte die Forderung nach internationaler Untersuchung der Schuld-
frage ein:
„Wir sind erbötig, die Frage der Schuld am Kriege und der Ver-
schuldung im Kriege vor dem Michterstuhl von Hersönlichkeiten nach-
prüfen zu lassen, die die neutral gebliebenen Völker aus ihren würdig-
sten Männern bezeichnen mögen.“
Da trat um Mitternacht Haeften ins Zimmer. Er war totenblaß. Ich
glaubte, er würde eine Unglücksbotschaft von der Front bringen. Er mel-
dete: Die versammelten Staatssekretäre und besonders auch die hinzu-
1 Bei diesen Worten wollte ich mich den Anabhängigen zuwenden, um, wenn
irgend möglich, einen moralischen Druck auf sie auszuüben.
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