staatssekretäre hätte eine unerfahrene Geschäftsführung wirksam ergänzen
können.
Die Säule in meinem Kabinett war Herr v. Payer. Er war uner-
schütterlich in seinem Widerstand gegen jede unsachliche Zumutung, die das
Tempo seiner Entschließungen beschleunigen sollte. Mit Bedacht und
Festigkeit bremste er die temperamentvollen Mitglieder des Kriegs-
kabinetts und wehrte ihren großen Worten, als wollte er sagen: Wir
sind hier nicht im Interfraktionellen Ausschuß; hier darf man nur Dinge
aussprechen, für die man auch am nächsten Tage noch einstehen kann. Er
hatte die gleiche natürliche Würde im Verkehr mit der Heeresleitung wie
mit den Darlamentariern. Auch seine politischen Gegner spürten, daß
niemals persönliche Motive sein Arteil färbten. Er litt unsagbar unter dem
Schicksal Deutschlands und blieb nur im Amt, um nicht das sinkende
Schiff zu verlassen. Mir selbst trat Herr v. Dayer vom ersten Tage
an mit einer sorgenden Güte entgegen, die ich ihm nie vergessen werde.
Während er bei inneren Fragen wohl immer eine glückliche Hand zeigte,
war er mir in der auswärtigen Politik kein Bundesgenosse. Zwar stand
sein ganzer Instinkt gegen Unterwürfigkeit: „Wir können keine Erklärung
von uns geben, wonach es uns an Kraft fehlt,“ hatte er noch am 28. Sep-
tember im Hauptausschuß gesagt. Aber leider traute er seinem Gefühl
weniger als dem Fachverstand des Auswärtigen Amtes; denn er kannte
das Ausland nicht und haßte Dilettantismus.
Das war anders bei Erzberger und Scheidemann. Auch sie kannten
die Länder und die Menschen nicht, auf die sie wirken wollten. Aber sie
hatten ein unbegrenztes Zutrauen zu ihrem gesunden Menschenverstand
und zu ihrer Intuition, seitdem sie rechtzeitig gefordert hatten, den Ver-
teidigungscharakter des deutschen Krieges zu betonen. So traten sie mit
dem Sicherheitsgefühl in mein Kabinett ein: wir haben uns in der aus-
wärtigen Dolitik bewährt. Auch in den Beratungen des Oktober und
November fehlte es ihnen nicht an guten Einfällen und treffenden Worten.
Aber in der entscheidenden Frage der auswärtigen Politik trog sie ihr
Instinkt. Sie hatten eine übertriebene Scheu, Wilson durch eine stolze
Sprache zu reizen, und wollten nicht glauben, daß Herrenvölker wie die
angelsächsischen nur härter werden, wenn sie der Unterwürfigkeit begegnen.
Das Unglück wollte, daß die beiden Herren es sich selbst und ihren Par-
teien schuldig zu sein glaubten, an den öffentlichen Staatsdokumenten
mitzuarbeiten.
Graf Roedern im Kabinett zu haben, gab mir ein Gefühl der Be-
ruhigung. Er war selbst wiederholt für den Reichskanzlerposten — auch
in den letzten Tagen noch — genannt worden: im Elsaß bewährt, schon
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