derungen Wilsons mit Hörnern und Klauen wehren.“ — Ich äußerte meine
Genugtuung über diese Einmütigkeit.
Die Herren sprachen damals nicht nur ihre eigenen Gefühle aus, son-
dern gaben die wahre Stimmung der Kreise wieder, die hinter ihnen
standen. Die Forderung nach der Abdankung wäre von keiner der in
meinem Kabinett vertretenen Parteien zur Diskussion gestellt worden,
wenn Wilson nicht planmäßig den Streit um die Person des Kaisers in
das deutsche Volk hineingetragen hätte. Wünsche, der Kaiser möge ab-
danken, wurden damals eher auf der Rechten lauts und bei einigen über-
zeugten Monarchisten der Linken, wie Max Weber und Naumann, für
die der Gedanke unerträglich war, ein Kaiser von Deutschland hätte den
Präsidenten Wilson um Waffenstillstand gebeten. "
„Es ist seiner ldes Kaisers] und des Kaisertums unwert,“ so heißt es in
einem der jetzt veröffentlichten Briefe Max Webers,ê „in einem verstüm-
melten Deutschland das Gnadenbrot zu essen . Geht er, ohne Druck von
außen, jetzt, so geht er in Ehren, und das ritterliche Mitgefühl der Nation
ist bei ihm. Vor allem aber: die Stellung der Dynastie bleibt gewahrt.“
Ahnlich schrieb Naumann in diesen Tagen an den Chef des Zivil-
kabinetts.
Solche unerbittliche Voraussicht lag mir damals fern. Der Kaiser aller-
dings fühlte in diesen Tagen wiederholt Neigung, sich zurückzuziehen;
1 Bei unbelegten Zitaten aus Sitzungen und ähnlichem liegen Protokolle aus
dem Archiv der Reichskanzlei zugrunde.
2 „Deutsche Zeitung“, 12. Oktober 1918, morgens: „Wir warten auf die Stunde
der Abrechnung und geben die Gersicherung, daß wir schonungslos, erbarmungs-
los abrechnen werden mit allen den Männern, die durch die Zermürbung unseres
Volkes der Demokratie zwar den Sieg, Deutschland aber die Niederlage gebracht
haben. Es steht uns keiner hoch genug, den wir nicht vor den Nichterstuhl
der Geschichte rufen werden, der nicht die Verantwortung auf sich nehmen
muß für diese ungeheuerlichen Ereignisse der letzten Zeit. Die Not der Stunde ge-
bietet uns, im Augenblick manches zu verschweigen, das gesagt werden müßte
Deutschlands Elend begann im Jahre 1890, als man Deutschland zum Sachsenwald
schickte.“ 12. Oktober abends: „Heute .. kommen die anderen Elemente der
modernen Zeit und entwinden dem Kaiser Zepter und Krone. Darüber zu trauern,
wäre heute verfehlt. Wer sich das Zepter aus der Hand winden läßt,
der kann es nicht führen. Für uns gibt es nur die Frage: Was wird
aus unserem Reich? .. .“
2 Max Weber: Gesammelte politische Schriften, München 1921, S. 477, Max
Weber an Schulze-Gävernitz am 11. Oktober 1918.
In einer Rede kurz nach der Revolution sagte Max Weber ähnliche Worte
und fügte hinzu: Der Thron der Hohenzollern war durch unseren Bittgang zu
Wilson zu schmal für Wilhelm II. geworden, er konnte jetzt nur ein Kind tragen.
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