Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

geschlagen wäre.1 Er wollte die Ruhepause nicht um jeden Preis, Bedin- 
gungen wie die Übergabe der Festung Metz wollte er ablehnen; aber noch 
immer saß die Illusion fest, der Feind würde uns die Erholung gönnen 
und einen ehrenvollen Waffenstillstand gewähren. Das Leitmotiv kehrte 
wieder: die Armee braucht Ruhe. 
Oberst Heye sagte: 
„Dringende Bitte, nicht von Nervosität zu sprechen. Schritt zum 
Frieden, noch mehr zu Waffenstillstand, ist unbedingt notwendig. Truppe 
hat keine Ruhe mehr. Unberechenbar, ob die Truppe hält oder nicht. 
Jeden Tag neue DLberraschungen. Ich fürchte nicht eine Katastrophe, 
sondern möchte Armee retten, damit wir während der Friedensverhand- 
lungen sie noch als Druckmittel haben. 
„Armee braucht Ruhe. Hat sie die und gewinnt sie neuen Ersag, so 
kann sie auch wieder neue Leistungen zeigen." 
Diese Worte klangen fast, als wirkten im Anterbewußtsein der Generale 
Erinnerungen an vornehmere erioden der Kriegführung mit, da man 
sich en bataille rangée gegenüberstand und über Kampf= und Waffenstill. 
stand verhandelte. Das waren versunkene Zeiten. 
Für unsere Aussichten sah der General Ludendorff die Ersatzlage mit 
Recht als maßgebend an. Er forderte 70000 Mann im Monat. Der 
Kriegsminister Scheüch war erst am gleichen Tage ernannt worden. Seine 
Erhebungen darüber waren noch nicht abgeschlossen, wieviel Menschen er 
aufbringen könnte und in welcher Frist. So endete die Besprechung ohne 
Klarheit in dieser entscheidenden Frage. 
Am folgenden Tage (10. Oktober) war der Kriegsminister in der Lage, 
dem General Ludendorff folgendes Angebot zu machen: Sechsmalhundert- 
tausend Mann — nicht heute und morgen, aber innerhalb von soundso viel 
Wochen. Das Herausziehen von Soldaten aus der Industrie würde natür- 
lich zu einem gewissen Rückgang in den Munitionslieferungen führen. 
Ebenso unvermeidlich wäre eine Verringerung des monatlichen regulären 
Nachersatzes. ber den geringen Kampfwert dieses Menschenmaterials 
ließ der Kriegsminister keinen Zweifel. So sei der Jahrgang 1900 erst zum 
Teil ausgebildet. Sch eüch erhielt darauf die Antwort: Dann noch nicht. 
1 PDrotokoll der Kabinettssitzung vom 11.Oktober 1918: Graf Roedern:„. Die 
Räumung enthalte ein großes Risiko, aber nach den ÄAußerungen der Obersten Heeres- 
leitung sei das Risiko, was wir sonst laufen, noch viel größer.“ Erzberger: „General 
Ludendorff habe wiederholt erklärt, die Armee brauche Ruhe. Die Landesgrenze könne 
sie, in Ordnung zurückgeführt, vollkommen halten. Anders, wenn sie bis an die Grenze 
zurückgeschlagen werde.“ 
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