rische Kraftanstrengung weiterhin ohne Unterstützung durch die Politik zu
lassen. Frankreich oder England oder Rußland, eines dieser Länder muß
in seiner Heimatfront entscheidend getroffen werden.
Wie soll das geschehen? Wenn das russische Volk, oder das englische, oder
das französische, einen Frieden auf dem Verhandlungswege erreichbar sieht
— der zwar nicht der Friede ist, den es sich wünscht, aber von diesem
Frieden nur durch eine so geringe Differenz getrennt, daß das Sterben und
Leiden für diese Differenz nicht mehr lohnend erscheint — dann bricht in
diesem Volk eine Krisis aus, die es entweder zum Frieden bereit oder
mindestens zur militärischen Höchstleistung unfähig macht.
Können wir in Rußland eine solche Friedenskrisis herbeiführen? Ruß-
land, so antwortete Nohrbach, gibt uns keinen Separakfrieden, ehe seine
Kriegsmaschine zerbrochen ist.
Wohl wächst am Hof des Zaren eine Strömung, die im Grunde das
Bündnis mit den westlichen Demokratien haßt und in einer frühzeitigen
Beendigung des Krieges die einzige Rettung für die Autokratie sieht. Aber
der Hof lebt heute in Angst vor neuerstandenen Gewalten, die ihn mißtrauisch
kontrollieren. Der Liberalismus hat mit der Armee und führenden Mit-
gliedern der kaiserlichen Familie ein Bündnis zur siegreichen Durchführung
des Krieges geschlossen. Die Kriegsziele: Konstantinopel und Befreiung
der slawischen Brüder sind das große Bindemittel. Die Rufer im Streit
sind die konstitutionellen Demokraten, hinter denen die Bank- und Industrie-
kreise und die dünne Schicht der Intelligenz stehen; sie hängen mit einer
ganz besonderen Inbrunst an diesem Kriege; erwarten sie doch von dem
Sieg an Frankreichs und Englands Seite den endgültigen Aufstieg ihres
Gaterlandes aus mittelalterlicher Finsternis.
Nach den fortgesetzten Niederlagen der russischen Armee im Sommer
1915 streckte der Dumablock seine Hand nach der Macht aus: er forderte
die Berufung einer parlamentarischen Regierung — die Antwort des
Zaren war die Vertagung der Duma und die Absetzung des Höchst.
kommandierenden Nikolai Nikolajewitsch, den er im Einverständnis mit
den Abgeordneten glaubte.
Die liberalen Imperialisten aber geben ihre Sache nicht verloren. Sie
haben die gesamte Kriegsindustrie in ihre Hände gebracht und unternehmen
es, sie nach westeuropäischem Muster zu organisieren. Sie sitzen überall in
den leitenden Kriegskomitees. Die öffentliche Meinung ist mit ihnen und
schlägt alle paar Monate drohenden Alarm über eine Neigung zum ver-
räterischen Sonderfrieden, die sich in reaktionären Kreisen rege.
VWas haben wir diesem neuen Rußland zu bieten? Nichts — es sei denn,
daß wir die Türkei und Österreich zu opfern bereit sind.
Vrinz Max von Baden 3 33