Einmischung, die mit der deutschen Ehre um so unverträglicher ist, als der Prä-
sident auch den kleinsten Nationen ihr Selbstbestimmungsrecht erh alten wissen
will.“
Ein ehemaliger Minister von besonderer Bedeutung riet, Wilson fol-
gendermaßen anzuherrschen:
„Nachdem über die Friedensbedingungen auf Grund des von Herrn Wilson
selbst verkündeten Hrogramms eine grundsätzliche Einigung erzielt sei, habe
die Fortsetzung des Menschenmordens jede Rechtfertigung verloren; sie sei un-
sinnig und verbrecherisch. Der deutschen Regierung, die ihre Hände frei von
diesem Verbrechen zu halten wünsche, komme es darauf an, zu erfahren, ob die
PVereinigten Staaten und ihre Verbündeten auf Grund der über die Friedens-
bedingungen erzielten Einigung und der sonstigen von der deutschen Regierung
gegebenen Zusagen und Aufklärungen bereit seien, alsbald in Waffenstillstands.
verhandlungen einzutreten oder nicht. Sie müsse Wert darauf legen, auf diese
Frage ohne Verzug eine klare Antwort zu erhalten, um danach ihre Dispositionen
zu treffen.“
Admiral v. Tirpistz erbat Direktiven für das Verhalten der in der
aterlandspartei vereinigten Hunderttausende von Männern. Er erklärte,
die von Wilson geforderte Einstellung des U. Bootkrieges würde jeden
weiteren Widerstand unmöglich machen, und fuhr dann fort:
Der Irrtum, der unserem Waffenstillstandsangebot zugrunde lag, sei
nun erwiesen, die Entente täte uns nicht den Gefallen, einen alsbaldigen
Waffenstillstand unter Bedingungen zu gewähren, die uns die Mög-
lichkeit geben würden, unser Heer und unsere Grenzen für den Fall des
Scheiterns der Friedensverhandlungen in Verteidigungszustand zu ver-
setzen:
Tirpitz sah nur den einen Ausweg:
„Aufruf des ganzen Volkes zur entschlossensten Verteidigung unserer Ehre
und unserer Lebensmöglichkeiten, begleitet von sofortiger Handlung, die nach
außen und innen nicht den mindesten Zweifel an unserem Willen bestehen lassen
kann.“
Den stärksten Eindruck machte auf mich ein Brief (16. Oktober) des Grafen
Arnim-Boitenburg, des Präsidenten des Herrenhauses. Er beschwor
mich, zum leczten Widerstand aufzurufen; dabei sah er scharf die seelische
Lage unseres Volkes. Er ging so weit zu sagen, daß ein Aufruf zur na-
tionalen Verteidigung mehr schaden als nutzen würde, wenn er von
einzelnen Dersonen oder einzelnen Parteien ausginge: er müsse
1 Dieser Brief vom 17. Oktober 1918 ist gedr. Tirpitz, Deutsche Ohnmachtspolitik,
S. 616 ff.
412