Fünftes Kapitel
Sitzung des Kriegskabinetts am 17. Oktober 1918
Anwesend: Der Reichskanzler; der Vizekanzler; der Kriegsminister;
die Staatssekretäre des Auswärtigen Amts, des Reichsschatzamts, des
Kriegsernährungsamts, des Reichsmarineamts; der Chef des Admiral-
stabs der Marine; der Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums;
die Staatssekretäre Gröber, Haußmann, Scheidemann; Anterstaatssekretär
Göppert; Unterstaatssekretär v. Stumm; Unterstaatssekretär Wahnschaffe;
Ministerialdirektor Deutelmoser; General Ludendorff; General Hoffmann;
Oberst Heye.
Der Reichskanzler: Die Lage, in der wir uns befinden, ist die Folge
des Schrittes, den wir am 5. Oktober getan haben. Damals war es der
dringende Wunsch der Obersten Heeresleitung, daß wir die Friedens-
note und das Waffenstillstandsersuchen an den Präsidenten Wilson gerichtet
haben. Es kam die Rückfrage, die wir beantwortet haben. Jetzt liegt eine
neue Note vor, die eine Steigerung der Forderungen Wilsons enthält,
und über die wir uns schlüssig machen müssen. Wilson ist offenbar durch
die amerikanischen Chauvinisten und durch den Druck Frankreichs und Eng-
lands in eine schwierige Lage geraten und, wie ich hoffe, hofft er selbst,
daß wir ihm die Möglichkeit geben, mit uns weiter zu verhandeln und den
Widerstand der Kriegstreiber zu überwinden.
So stelle ich mir die Lage vor. Es würde nun, ehe wir die Note an
Wilson abgehen lassen, klarzustellen sein, was die militärische Lage Deutsch-
lands fordert. Zu diesem Zweck haben wir Eure Exzellenz gebeten, her-
zukommen und uns Auskunft zu geben. Wir haben Eurer Exzellenz eine
Anzahl formulierter Fragen vorgelegt, über die wir erwarten, Auskunft
zu erhalten. Eure Exzellenz haben andere Fragen an uns gestellt, die wir
im Laufe der Erörterung beantworten werden.
Die erste Frage ist die, ob dadurch, daß die Divisionen vom Osten
herübergezogen werden, die Front im Westen so gestärkt werden kann,
daß man auf ein längeres Durchhalten rechnen darf.
Die zweite Frage geht dahin, ob durch stärkere Zuführung von Truppen-
material aus der Heimat erreicht werden kann, daß die Armee eine Kräf-
tigung zum weiteren Durchhalten erfährt.
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